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Aus dem „Schulinethodus."
Von den Anfängen des praktischen Unterrichts.
Der „Schulmethodus" des Rektors Andreas Reyher zeigt
nicht bloß, wie man um 1642 in Gotha auf kulturellem Gebiete
die Leiden eines schweren Krieges zu heilen suchte, jenes Meister¬
stück praktischer Pädagogik reicht mit vielen seiner Vorschläge bis
in die Schulerziehung der Gegenwart herauf.
Erinnern wir uns einiger seiner Anweisungen, um kurz daran¬
zufügen, wie die Schule heute diese Gedanken zu verwirklichen
strebt.
1. „Was die eusserliche mores anlanget, sollen die Knaben
und Mägdlein bey Zeiten gewehnt werden, wie sie sich gegen
alte Leute .... und andere Manns- und Weibs-Personen mit
Abziehung der Hüte, Außweichung aus dem Wege, auch anderer
Ehrerbietung erweisen, willfährig in Außrichtung auffgetragener
Geschäfte seyn: auch sonsten sich alles Abelstandes aufs der Gassen
. . . . item zu Hause enthalten, Unflätigkeit in Kleidern meiden.
Reinlichkeit der Glieder in acht nehmen sollen." —
Die heutige Schule vergißt über dem umfangreichen Lehr¬
stoff nicht die Pflichten der Erziehung. Sie verbindet mit ge¬
eigneten Lehrstunden praktischen A n st a n d s u n t e r r i ch t, in dem
die Kinder nicht bloß hören, „was sich gehört" und „was sich
nicht schickt", sondern auch das Beispiel des Lehrers und besser
erzogener Schüler sehen und durch die Handlung systematisch
an einen guten Umgang gewöhnt werden.
2. Der „Schulmethodus" fordert: „Alles, was man zeigen
kann, soll den Kindern gezeigt werden. Die Grenzsteine, Gräben,
Raine und Malbäume müssen bekannt gemacht und die Knaben
zu den nächstgelegenen geführt werden, damit sie solche zu kennen
und zu unterscheiden wissen." — Heute ist zwar nicht mehr nötig,
wie zu Zeiten der Grenzstreitigkeiten im Mittelalter, die Knaben
„mit Wucht auf die Grenzsteine zu setzen und ihnen einen starken
Merks zu geben", aber auch heute empfiehlt es sich, auf dem
Lande die Kinder auf einer größeren Wanderung um die
Dorfmarkung zu führen, vom ganzen Dorfbesitz, Feldern, Wiesen
und Wäldern eine einfache Zeichnung anfertigen und auf
der Oberstufe das Lesen des Katasters daran anschließen zu
lassen.
Arbeitsschule.
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