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3d] mußte manchmal den Kopf schütteln vor Verwunderung. Da 
waren wir z. B. am dritten und letzten Tag ein kurzes Stündchen in 
der Morgenfrische marschiert und nun soll der 5l u f sti e g z u m Zwiesel¬ 
kopf beginnen. Den Benjamin von meinen Zwölfen, der gestern schon 
sich auffällig viel in meiner Nähe aufgehalten hat — weil ich nämlich 
grundsätzlich als Letzter ging - will ich lieber nicht mit auf den Berg 
nehmen und so frage ich, wer es vorzieht, mit ihm auf der ebenen Land¬ 
straße nach Tölz zu gehen. Unglaublich, drei viertel der ganzen Schar 
will auf den Berg verzichten! Ts ist ja wahr, wenn man am Tag vorher 
tüchtig müde war, ist man in der ersten Stunde immer etwas matt, bis 
man sich wieder warm gelaufen hat. Uber deswegen gleich eine geplante 
Partie ausgeben! Den Bauernbuben möchte ich kennen, der von 
einer kleinen Schwere in den Gliedern sich so leicht unterkriegen läßt. 
Uber meine Großstadtbengel lassen es erst aus einen blumenreichen 
Erguß meinerseits ankommen, bis sie sich zusammenrappeln und wieder 
energisch werden. Einen habe ich unter meiner Schar, der vor 14 Tagen 
sein Schulentlaßzeugnis erhalten hatte und inzwischen schon als Lehrling 
in einer Schlosserei war. Er ist wieder ausgetreten, ,,weil er immer 
so schwere Lisensachen austragen sollte." Gb er nicht noch beim Geschäft 
wäre, wenn er früher öfter solche Wanderungen mitgemacht hätte? 
Nusdauer lehrt eben das Großstadtpflaster nicht, daran ändern alle 
Spiel- und Turnstunden nichts. Der Zwieselkops versteht dieses Lehren 
schon besser. 
Nls nun gar der Durst sich einstellte und die Esuelle nicht sofort 
herbeirauschte, da begann neues Jammern. Das war passende Ge¬ 
legenheit zu einer neuen praktischen Moralpredigt. ,,Gelt, hast auch 
schon die Geschichten aus Südwest gelesen und wärst am liebsten dort 
ein Held geworden, wenn dich nur der Vater fortgelassen Hütte. Da, 
lern' erst das Dursten am Zwieselkopf." Der Betroffene steckt den Spott 
stillschweigend ein und ist beim nächsten Wassertrinken der Letzte, wie ich 
beobachten kann. 
,,Ist es nun auch recht, daß du die Jungen so zur Genügsam¬ 
keit erziehst", dachte ich mir einmal, als ich auf der Landstraße hinter 
meinen Zwölfen hertrabte. ,,Es muß ja sein, denn wir sind gezwungen, 
uns möglichst billig durchzuschlagen. Daher die spärlichen Freuden des 
selbstmitgeführten Kochtopfes, daher reinen Katurquell als Getränke, 
tagsüber kein Dach zu unsern Häupten und des Nachts das kostenfreie 
Strohlager ohne allen Komfort der Neuzeit. Nber zum Teufel mit der 
Genügsamkeit! Ist Deutschland vielleicht durch Genügsamkeit groß
	        
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