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gar zu gerne darbringen zu deinem Tempelbau und Gott zu Ehren.
Aber ich fürchtete, o Herr, deinen Banmn und deine harte Bedräuung,
und da kaufte ich um den Heller ein Bündel Heu, das streute ich auf
die Straße den Ochsen hin, welche die Steine zu deinem Münster
zogen, und sie fraßen es. So that ich nach meinem Willen und ohne
dein Gebot zu verletzen. Da ward der König mächtig bewegt von der
Frau Rede und sah, wie Gott der Herr ihren reinen Sinn gewürdigt
und ihn als höhetes Opfer angenommen, denn des Königs reichen
Schatz. Und der König begabte die arme Frau reichlich und nahm sich
die Strafe seiner Eitelkeit zu Herzen.
63. Sprichwörter.
Wo man Häebsel saot, vird hein Korn geerntet. —
WVo die Sünde der Gast ist, sotat sich die Strafe muit zu
Ti ne. — Ssünde und Strafe sind mit einer Mauer um-—
Mie es emer traihl so ot nn
Krug geht so lange zu Wasser, bis er brieht —do
ist ein langer Borger, aber ein gowissor Zahler. — Die
Strafe geht auf wollenon Socken uünd schlägt mit ehernen
Fäusten. — Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt
doch endlich an die Sonnen. — Bôs Gewissen, böser Gast,
keine Ruhe, keine Rast. —
64. Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt endlich an
die Sonnen.
Mehr, als hundert Personen sitzen im Frühjahre 1858 in dem
größten Gasthofe von St. Louis in Nordamerika zu Tische, ohne zu
ahnen, daß sie das letzte Abendmahl mit einander haben. Die Wend
züge eilen im Glanze der untergehenden Sonne der Hauptstadt zu, als
müßten sie durchaus die Zahl der Opfer noch vermehren helfen. Ünter
den Reisenden ahnt keinern daß diese goldene Abendrote ihin der Fackel—
zug zu seinem Leichenzuge ist; hätte man als Prophet diesem oder jenem
verkünden müssen: Bestelle dein Haus, du wirst sterben, du wirst die
Morgenröte nicht mehr schauen! er hätte solchen Propheten für wahn—
witzig gehalten, indem schon der Tod über seinem Haupte schwebte. —
Endlich ist das Ziel erreicht, die Schar setzt mit Freuden ihren Fuß
in die Hallen des verhängnisvollen Hauses. Ihren Eingang wissen
alle, keiner ahnt seinen Ausgang. Sie eilen durch die Gänge, ein jeder
seinem Zimmer zu, und keiner ahnt, daß es sein letzter Gang, sein
Gang zum Tode ist. Das Bett, darinnen all und jung nach des
Tages Mühen in tiefem Frieden schläft, wer ahnte es noch um Mitter—
nacht, daß es aller Sterbebette ist? Wohl denen, die ihre Augen
schlossen, betend: O Herr! nun leg ich schlafen mich, behüt' meine Seele
gnädiglich, und sollt ich nicht mehr wachen auf, nimm sie in deinen
Himmel auf, durch Jesum Christum. Amen!