Full text: Für Mittelklassen (Stufe 2)

des Schiffes stand der Steuermann, vorn saßen zwei Matrosen, Vater 
und Sohn, und handhabten die Ruder. Ihr seid heute wieder traurig, 
Jack, sagte der Geistliche zu dem Vater. Freilich, antwortete der Mar 
trose, der Winter ist vor der Thüre, und wie wird's werden mit meinen 
fünf Kindern? Ich bin den gaänzen Tag voller Sorge! dDas sollt 
Ihr aber nicht sein, denn der Heiland sagt: Sorget nicht! — Den 
Spruch versteh' ich nimmer und nimmer; also soll ich mich jetzt auf 
die faule Haut legen, von menen paar ersparten Groschen mir einige 
gute Tage machen und es darauf ankommen lassen, ob der liebe Gon 
etwas beschert für Weib und Kind, oder ob sie hungern und frieren 
müssen? 
Das nicht uer holsla, Jack! was ist denn das? rief plötzlich 
der Geistliche, wir fahren eben durch die Klippen, und Ihr schaut euch 
nicht einmal um darnach? Thut Euere Schuldigkeit! Ei, sagte der 
Matrose gleichgültig, das ist Sache des Steuermaͤnns — Thut Euere 
Schuldigkeit, Jack! sage ich noch einmal, und dämmert nicht so vor 
Euch hin, seht Ihr denn die Klippen nicht? wir gehen zu Grunde, 
wenn Ihrs so leichtsinnig mit Euerer Abei nehmt. — Schuldigkeil 
thun — leichtsinnig nehmen? erwiderte der Matrose, Herr, wie koͤmt 
Ihr mir vor? Arbeit' ich nicht aus Leibeskräften, soll ich vielleicht mit 
steuern helfen? Freilich, freilich, sagte der Geistliche, damit es glück 
lich vorwärts geht. — Ach, das wäre ja eine unnütze Geschichte, Herr. 
Jeder thut eben das Seine, dann wied schon alles recht werden — 
n steuert, und ich führe das Ruden So— ist's Schiffs⸗ 
ruch. 
Nun, nehmts nur nicht übel, Jack! erwiderte lächelnd der Geist— 
liche, im Reich Gottes ists eben so auch Brauch. Bas Arbeiten ist 
Euere Sache, das thut aus Leibeskräften und seht dabei nicht rechts 
und nicht links! — Die Sorge aber, daß Ihr bei Eueren Mbeit zu 
Grund gehen und nicht vorwärts komnmen möchtet, die erspart Euch und 
laßt sie dem, der am Steuer sitzt, und von dem geschrieben steht: All' 
euere Sorge werfet auf Ihn, denn Er sorget für euch. 
72. Sorget nicht. 
Sieh's Vöglein unterm Himmel an, 
das säen nicht, nicht ernten kann, 
es sammelt keine Garben — 
doch läßt es Gott wohl darben? 
Sieh'ss Blümlein auf dem Felde an! 
Wer hat das Kleid ihm angehhan? 
wer hieß sichss kleiden, 
daß Könige es neiden? 
Es spinnet nicht, es webet nicht, 
es grämt sich nicht und sorget nicht, 
es hat der Vater droben 
sein Kleid aus Licht gewoben.
	        
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