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Vierter Zeitraum.
entfaltete in diesem ihm neuen Wirkungskreise bald so unge¬
wöhnliche Talente, daß er, nachdem er Kölln besetzt hatte,
die Franken zum Frieden nöthigte, bei Straß bürg die
Alemannen besiegte, Gallien von ihren Streifereien und
dem Tribute an sie befreiete, und, nach seinem Uebergange
über den Rhein, so glücklich in Teutschtand vordrang, daß
die Eifersucht des Kaisers darüber erregt ward. Dieser
stand (359) gegen die Perser im Felde, und verlangte, daß
ihm Julian mehrere Legionen, die seinen Befehlen ge¬
horchten, zusenden sollte.
25t.
Julian.
Da nahm Julian zu Paris das ihm von den Legionen
angebotene Diadem (Marz 360 — 25 Juny 363, als 29 — 32
Jahre), und zog mit seinem Heere an der Donau hin, den
Kampf um die Krone mit seinem Vetter zu bestehen. Hier
aber erhielt er die Nachricht von dem Tode des Kaisers (361)
in Asien, wodurch er zur Alleinherrschaft in der römischen
Welt gelangte. Julian war der letzte talentvolle Fürst
aus dem Hause Consiantins, dessen Mängel von den christ¬
lichen Geschichtsschreibern nicht selten mit zu starken Farben
geschildert worden sind, weil er den allerdings schon in po¬
litischer Hinsicht bedeutenden Fehler beging, von der
herrschend gewordenen Religion sich wieder loszusagen, wes¬
halb er den Namen Apostata (der Abtrünnige) erhielt.
Er beschränkte zwar die freie Ausübung des christlichen Got¬
tesdienstes nicht; er eröffnete aber die heidnischen Tempel
von neuem, und gab einer Religion, die seit Jahrhunderten
in das ganze Leben des römischen Staates aufs genaueste
vcrstochten gewesen war, den frühern Glanz. Er wollte die
heidnischen Priester Zu einem sittlichen Leben führen, und
stellte bei den Tempeln Vorleser an, welche nach Art der
Christen Vorträge halten sollten. 'Für die Armen bestimmte
er beträchtliche Summen, weil die Almosen zur schnellen
Verbreitung des Christenthums viel beigetragen hatten. Er
suchte den öffentlichen Unterricht der Jugend in der christlichen