Das Kolonialsystem der Phönicier. 119 
deihen konnte, der jedesmal nur bei einem entnervten, 
entsi'ttcten, und in geistiger Hinsicht wenig kultivirten Volke 
Wurzel faßt. Handelnde Staaten können ohnedies nur 
unter dem Einflüsse politischer Freiheit gedei¬ 
hen, wenn gleich in Haudelsrepubliken der Charakter der 
Staatsform gewöhnlich in Aristokratismus übergeht. 
Aus. den Ueberresten. der phönicischen Geschichte erhel¬ 
let, daß neben den Königen in den Städten noch ein ein¬ 
flußreicher Magistrat wirkte, der oft in Verbindung 
mit den Königen Gesandte auswärts schickte, so daß die 
Macht beider, des Königs und des Magistrats, sich ge¬ 
genseitig mit einer gewissen Eifersucht bewachte, 
27. 
D a S K o l o n î a l sy st e m der Phönicier. 
Wenn wilde Eroberer die besiegten Völker in andere 
Theile ihrer Reiche gewaltsam versetzen (so wie z, B. die 
Israeliten nach Assyrien, die Juden nach Babylon abge¬ 
führt wurden); so fühlen handeltreibende Völker das Be¬ 
dürfniß für friedliche Ansiedelungen und Handelsniederlas¬ 
sungen (Karavansereien), aus welchen sich in der Folge 
Kolonialst a ote, und endlich eigene Staaten bilden, 
die sich vom Mutterlande trennen (so Karthago im Al¬ 
terthume , in neuern Zeiten Nord- und Süd- A m e r i k a). 
Zwischen dein Mutterlande und der langsam zu höherer 
Starke und Kraft heranwachsenden Kolonie bleibt aber An¬ 
fangs ein gegenseitiger freundschaftlicher Verkehr, bis all- 
mählig zwischen beiden die H a y d e l s e i fe r su ch t erwacht, 
die bisweilen selbst mit Erob erun g s p la n en in Verbin¬ 
dung steht, wodurch zuletzt unaufhaltbar der Untergang des 
einen Handelsstaates herbeigeführt wird. — Im Alterthume 
mußte Phönicier! späterhin seiner für den Handel auf dem 
Mittelmeere ungleich vortheilhafter gelegenen Kolonie Kar¬ 
thago weichen. 
So lange die kleinasiatischen Griechen noch, mit sich 
und ihrer Verfassung zu sehr beschäftigt waren, um ihren 
Blick auf den Handel und besonders auf Schiffahrt und
	        
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