52 Erster Zeitraum. 
viffen armem, und an Umfang und Zahl der Bevölkerung 
ungleich geringern Europa im politischen Uebergewichte 
weichen. Selbst diejenigen Völker, welche durch Wälder 
und Wüsten von Asien aus nach Europa in Zeiten über¬ 
gingen, die für die Geschichte verloren sind, legten allmählig 
auf dem fremden Boden, wo sie die jünger» europäischen 
Reiche stifteten, ihren asiatischen Anstrich ab, nachdem das 
alles verschlingende Weltreich der Römer seiner eigenen un¬ 
förmlichen Größe und seinem innern Verderben erlag. 
Alles, was in Asien nur in den ersten allgemeinsten 
Umrissen sich entwickelte, erhielt im jünger» Europa eine 
andere, festere und bestimmtere Gestalt. Der 
Despotismus und die Vielweiberei eigneten sich nicht für 
das europäische Klima; bessere Staatsverfassungen, ver- 
edeltere religiöse Begriffe, nähere und engere Völkerverbin¬ 
dungen, erweiterte Handelsverhältnisse, wissenschaftliche und 
ästhetische Bildung bezeichnen den überwiegenden Vorzug 
Europa's vor Asien. Was in Asien in ewiger Kindheit 
blieb, erreichte in Europa das Zeitalter der männlichen 
Reife, und gestaltete sich nach den Bedürfnissen der in der 
Kultur fortschreitenden Völker. Was in den Ebenen zwischen 
dem Euphrate und Tigris zur Verweichlichung hinzog, er¬ 
hob in Europa den menschlichen Geist, und belebte die 
Thätigkeit. Die alles kräftige Volksleben lähmende Kasten¬ 
verfassung der asiatischen Völker, wo einmal getrennte 
Stämme ewig getrennt bleiben, milderte sich in der engern 
gesellschaftlichen Verbindung der europäischen Reiche. Die 
Sittenlosigkeit/ die in Asien jeder Blüthe des Handels und 
der Künste unaufhaltbar folgte, erhielt in Europa, unter dem 
Einstusse einer sittlichen Religion und einer bessern Gestal¬ 
tung der Staaten, eine ernstere Leitung, und alles, was 
dort von der Willkühr abhing, gewann in Europa später¬ 
hin seine bestimmten Schranken durch die Herrschaft der Ge¬ 
setze. — Sollen wir also wohl die verschwundenen Jahr¬ 
tausende zurück wünschen; und können wir Europäer es be¬ 
klagen, daß unser Daseyn nicht in die Zeiten der Cyrus, 
der Artarerres, der Seleuciden, der Coöroes, der Dschin- 
giskane und Tamerlane fiel? —
	        
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