— 105 —
wurde zwar als Pflicht der Eidgenossen in den Vertrag mit ausgenommen,
doch ließen sich dieselben sehr schnell in die feindliche Koalition hinein¬
ziehen, die der bedrohlichen Weiterentwicklung habsburgischer Macht einen
Riegel vorzuschieben gedachte. Schon am 16. Oktober 1291 traten die Urner
und Schwyzer auf drei Jahre in Bündnis mit Zürich zu treuer Hilfe gegen
jedermann/) und Zürich war ein Glied in jener „vom Bodensee bis an
den Apennin" reichenden Kette habsbnrgischer Gegner. Doch die Hoffnung
der Schwyzer, die verlorene Reichsnnmittelbarkeit wieder zu gewinnen, wurde
durch die Entschlossenheit des Herzogs Al b recht vonÖ st erreich vereitelt. Es
steht zu vermuten, wenngleich es sich nicht urkundlich erweisen läßt, daß die
Schwyzer sich von neuem zur Anerkennung der österreichischen Oberherrschaft
bequemen mußten. Erst als Herzog Albrecht zum letzten Kamps mit Adolf
von Nassau sich rüstete, machten sie mit Hilfe des Königs einen neuen
Versuch, sich dem Habsburgischen Einfluß zu entziehe«. Adolf lohnte den
Schwyzern und Urnern ihre Bundesgenossenschaft durch Erteilung von Frei-
heitsbriefen, die mit dem Freibrief Friedrichs II. für Schwyz gleichlautend)
Adolfs Tod änderte die Lage vollständig; weder den Schwyzern noch den
Urnern wurde die Reichsunmittelbarkeit bestätigt, doch ist auch durch nichts
bezeugt, daß Alb recht eine gewaltsame Änderung in den bestehenden Ver-
Hältnissen erstrebt oder gar die Länder durch fremde Vögte bedrückt habe;
nach wie vor bekleideten einheimische Landleute in den Waldstädten die Ämter
von Landammännern. Die beglaubigte Geschichte weiß nichts von einem
durch grausame Quälereien habsbnrgischer Vögte hervorgerufenen Aufstand,
nichts vom Rütlibnnd, nichts von dem Apfelschuß eines Tell und der Er-
mordung eines Geßler.^) Damit muß aber auch der Albrecht Jahr-
hunderte lang gemachte Vorwurf grausamer Tyrannei aus der Geschichte
peccunia aliqualiter conparaverit vel qui noster incola vel provincialis non fuerit.
Streitigkeiten unter den Eidgenossen sollen von den prudenciores de conspiratis
geschlichtet werden.
1) Rilliet 415flg. 2) Huber 72flg. Böhmer, Reg. Ad. no. 382. Urk. vom
30. Nov. 1297 bei Rilliet 419. 3) über die allmähliche Ausbildung der Tellsage
vgl. besonders Huber 89flg., Bischer 20flg., Rilliet 203flg. Als Resultat ihrer
Untersuchungen ergießt sich, daß zuerst das um 1470 niedergeschriebene, nach seinem
Einbände so genannte „weiße Buch" im Archiv von Obwalden (herausgegeben im
Geschichtsfreuud XIII, 66 flg.) alle Grundzüge der Sage enthält, während ihre har¬
monische Ausbildung das Verdienst des schweizerischen Geschichtschreibers Aegidius
(Gilg) Tschudi ist. Die Erzählung vom ApfelMß ist als eine Mischung aus älteren
sagengeschichtlichen und mythologischen Bestandteilen zu betrachten (vgl. Pfannen¬
schmidt, Der mythische Gehalt der Tellsage. GermaniaX, Iflg.); sie findet sich mit
geringen Abweichungen wieder in Norwegen und Island, Dänemark und Holstein,
in England, am Mittelrhein und in ben Waldstädten (vgl. Huber 116flg.), muß des-
halb als ein Eigentum des germanischen Sagenschatzes angesehen werben. Die
von ben Schweizern zur geschichtlichen Begründung ber Erzählung von Tell vor-
gebrachten Urkunden vom Jahre 1387 unb 1388 sind plumpe Fälschungen aus späterer
Zeit, wahrscheinlich aus dem letzten Jahrhundert, wo zuerst von der historischen
Kritik Zweifel gegen die schweizerische Überlieferung erhoben wurden. Daß ein
Mann Namens Tell in Uri gelebt habe, ist trotz der genauesten Nachforschungen
Kopps in kirchlichen und städtischen Archiven des Landes nicht nachzuweisen gewesen.
Erst im 17. Jahrhundert hat die Familie Näll ihren Namen in Täll umgewandelt
(vgl. Huber 122). Auch die Tellskapellen in Bürgeln und bei Küßnacht sind kein
Beweis für die Existenz eines geschichtlichen Tell; die erftere ist erst 1582 gegründet,
laut dem noch vorhandenen Stiftungsbriefe, der letzteren gedenkt Melchior Ruß,
Gerichtsschreiber in Luzern, nicht, obwohl er bei der Erzählung von Tell die beste Ver-