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II. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt/
der allgemeinen Zersetzung kaum berührt. Hier offenbart sich noch die volle
L-chönheit und Harmonie des versunkenen Heidentums, Genuß und Glück
reden aus seinen Mauern. Allein der Mensch ist nicht zum Genuß ge¬
boren. Die Gegenden, welche von der Natur mit ihren reichsten und
schönsten Gaben geschmückt sind, entbehren nur gar zu oft der sittlichen
Kraft und Gediegenheit, zu der die Bewohner rauherer Himmelsstriche durch
die Arbeit erzogen werden. (Kuusthist. Bilderb. 14,31.32.) Di-. H. Nissen.
55. Die Bereitung des Brotes im Altertum.
Die Bereitung des Brotes war in den ältesten Zeiten, sowohl in
Griechenland als in Italien ebenso eine häusliche Beschäftigung, als die
Bereitung der andern Nahrung. Im Hause wurde das Getreide ge¬
mahlen, bei den Wohlhabenderen von den Sklavinnen, und im Hause der
nötige Vorrat gebacken. Allein bald stellte sich die Notwendigkeit heraus,
Brot in größeren Quantitäten für den Verkauf herzustellen und so ent¬
stand das Gewerbe der Müller und Bäcker, wobei freilich nebenbei be¬
stehen blieb, daß größere Haushaltungen sich ihren Bedarf nach wie vor
selbst herstellen, wie das ja auch heute noch (auf dem Lande fast überall)
der Fall ist. Wann bei den Griechen und Römern das Backen zuerst ge¬
werbsmäßig betrieben wurde, ist nicht überliefert; im fünften Jahrhundert
v. Chr. ist es bereits allgemein. Bei den Römern blieb bis ums Jahr
171 v. Chr. das Brotbacken Sache der Hausfrau oder des Koches; erst da
kam nach Plinius das Bäckerhandwerk auf; unter Augustus finden wir
ein Kollegium (Innung?) von Bäckern.
Jene Trennung aber von Müller und Bäcker, wie sie heutzutage bei
uns besteht, kannte das ganze Altertum nicht. In jeder größeren Bäckerei
wurde das Mahlen des Getreides und das Verbacken des Mehles gemein¬
schaftlich betrieben, meist wohl jedes von beiden von besonderen Arbeitern
oder Sklaven, doch nicht selten auch bei kleinerem Betriebe dergestalt, daß
derselbe sowohl mahlen als backen mußte.
. Bevor die Körner gemahlen wurden, fand bei manchen Getreidearten
noch ein Rösten statt, damit sich die Hülsen leichter ablösten. Am häu-
stgsten geschah dies bei der Gerste. Dabei wurde die Gerste erst ange¬
feuchtet, dann getrocknet, geröstet und enthülst, teils durch Zerstampfen im
Mörser, teils wohl auch durch Mühlen, die zur Verwandlung der Körner
in Mehl verwendet wurden.
Obgleich diejenigen Vorrichtungen, zum Verwandeln der Getreide¬
körner in Mehl, welche wir vorzugsweise Mühlen nennen, also die¬
jenigen, bei denen die Zerreibung mittelst zweier Steine geschieht, schon in
sehr früher Zeit erfunden worden sind, so ist doch nicht zu bezweifeln, daß
es eine Zeit gab, wo man keinen andern Weg kannte, als die Körner in
Mörsern zu zerstampfen. Daß diese Sitte auch nach der Erfindung der
Mühlen noch beibehalten wurde, ist uns aus der Kaiserzeit noch ausdrück¬
lich bezeugt. In der Regel bediente man sich eines gewöhnlichen Mörsers,
welcher meist von Holz war und bisweilen auf einem Untersatze stand