Full text: Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung

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II. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt. 
61. Die Klöster als Pflege- und Pflanzstätten des Gewerbes, 
der Kunst und Wissenschaft. 
Bereits zu den Zeiten der Merowinger begegnen wir klösterlichen 
Stiftungen im Frankenreiche, die sich weiterhin zu blühenden Abteien, zu 
Stätten der Wissenschaft, der Staatskunst und feinerer Sitte ausgebildet 
hatten. Zu Tours hatte Gregor seine Frankengeschichte geschrieben und 
unter Karl Martell und Pipin blühten diese segensreichen Zustuchtsorte 
für alles, was jene rauhe Zeit an zarteren Regungen kannte, herrlich wei¬ 
ter. Soissons, Tours, Orleans, Metz, Rheims waren bereits damals 
Stätten, an denen die spärlichen Reste des Altertums, die geringe Kunde 
der Wissenschaften, die Kunst des Schreibens und die Gewohnheit des 
Aufzeichnens der geschehenen Dinge bewahrt und gehegt wurde. Irische 
Mönche und nach ihnen die angelsächsischen Missionare, Bonifacius und 
seine Nachfolger trugen das Evangelisationswerk über den Rhein; St. Gal¬ 
len, Reichenau, Fulda und andere Stätten singen an, in deutschen Gauen 
Licht und Wärme zu verbreiten. Karl der Große erwarb sich große Ver¬ 
dienste um die alten und zahlreichen neuen Stiftungen. An jedes Kloster 
schloß sich eine Schule an, die Mönche unterwiesen die jungen Söhne des 
ungeschlachten Adels in der Kunst des Lesens und Schreibens, führten die 
Begabteren unter ihnen auf die grünen Auen des Altertums, ließen die 
Franken siegen und lehrten in den mauerumschlossenen Klostergärten 
deutsche Bauerknaben die Kunst des Obstschnitls und die Zucht auserlese¬ 
ner Früchte. 
Das kirchen- und klosterfreundliche Geschlecht der Karolinger ließ nicht 
ab mit Gründung neuer Stiftungen und mit Schenkungen an alte. Jedes 
Herrschergeschlecht hatte seine Familienstiftung, jeder Einzelherrscher sein 
Lieblingskloster. Ludwig der Fromme gründete 822 das Kloster Korvey 
an der Weser. Von den letzten Karolingern ließ Karl der Dicke sich in 
Reichenau begraben, dem er zu Lebzeiten viel Gutes gethan hatte; Arnulf 
und Ludwig das Kind bevorzugten St. Emmeran bei Regensburg, wo sie 
auch beigesetzt wurden. Gandersheim war eine Stiftung der Ludolfinger, 
wo später die Schwestern und Töchter des kaiserlich sächsischen Hauses 
ihre ansehnliche Versorgung fanden. Stiftungen der bayrischen Agilolfinger 
waren die bald zu großer Blüte gelangenden Klöster im Chiemsee, zu 
Tegernsee, Benedictbeuren und Wessobrunn. Weltliche und geistliche Große 
gründeten Klöster, in welche sie sich am Abend ihres Lebens zurückzogen; 
so Eginhard der Zögling Karls des Großen, Seligenstadt am Main, wo 
Kaiser Ludwig 836 den Jugendfreund besuchte. 
Überblicken wir am Ende des karolingischen Zeitraums das geistige 
Leben des ostfränkischen Landes, so finden wir die Kultur, die Pflege der 
Wissenschaft und des Unterrichts wesentlich in die Klöster und Bischofs¬ 
sitze zurückgedrängt. Zwar bestand noch die Hofschule Karls, aber diese 
erstreckte ihre Wirkung doch nur auf die höchste Aristokratie und darüber 
hinaus ließ die unruhige Zeä keine öffentlichen Schulen aufkommen. Die 
Schulen aber, die Karl in den friedlichen Mauern von Fulda, Reichenau,
	        
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