Full text: Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung

. Lebensbilder. 
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v. Tellheim. Gieb her! 
Just. Haben Sie Barmherzigkeit mit mir, mein Herr. Ich weiß 
wohl, daß die Menschen mit Ihnen keine haben; aber — 
v. Tellheim. Was willst Du? 
Just. Ich hätte mir eher den Tod, als meinen Abschied vermutet, 
v. Tellheim. Ich kann Dich nicht länger brauchen; ich muß 
mich ohne Bedienlen behelfen lernen. (Schlägt die Rechnung auf und 
liest:) „Was der Herr Major mir schuldig: Drei und einen halben Monat 
Lohn, den Monat 6 Thaler, macht 21 Thaler. Seit dem Ersten dieses 
an Kleinigkeiten ausgelegt 1 Thaler 7 Groschen 9 Pfennige. Summa 
Summarum 22 Thaler 7 Groschen 9 Pfennige." — Gut, und es ist 
billig, daß ich diesen laufenden Monat ganz bezahle. 
Just. Die andere Seite, Herr Major — 
v. Tellheim. Noch mehr? (Liest) „Was dem Herrn Major ich 
schuldig: An den Feldscher für mich bezahlt 25 Thaler. Für Wartung 
und Pflege während meiner Kur für mich bezahlt 39 Thaler. Meinem 
abgebrannten und geplünderten Vater auf meine Bitte vorgeschossen, ohne 
die zwei Beutepferde zu rechnen, die er ihm geschenkt, 50 Thaler. Summa 
Summarum 114 Thaler. Davon abgezogen vorstehende 22 Thaler 
7 Groschen 9 Pfennige. Bleibe dem Herrn Major schuldig 91 Thaler 
16 Groschen 3 Pfennige. — Kerl Du bist toll! — 
Just. Ich glaube es gern, daß ich Ihnen weit mehr koste. Aber 
es wäre verlorene Tinte, es dazu zu schreiben. Ich kann Ihnen das 
nicht bezahlen, und wenn Sie mir vollends die Livröe nehmen, die ich 
auch noch nicht verdient habe, — so wollte ich lieber, Sie hätten mich in 
dem Lazarette krepieren lassen. 
v. Tellheim. Wofür siehst Du mich an? Du bist mir nichts 
schuldig, und ich will Dich einem von meinen Bekannten empfehlen, bei 
dem Du es besser haben sollst, als bei mir. 
Just. Ich bin Ihnen nichts schuldig, und doch wollen Sie mich 
verstoßen? 
v. Tellheim. Weil ich Dir nichts schuldig werden will. 
Just. Darum? nur darum? So gewiß ich Ihnen schuldig bin, 
so gewiß Sie mir nichts schuldig werden können, so gewiß sollen Sie mich 
nun nicht verstoßen. — Machen Sie, was Sie wollen, Herr Major, ich 
bleibe bei Ihnen; ich muß bei Ihnen bleiben. 
v. Tellheim. Und Deine Hartnäckigkeit, Dein Trotz, Dein wildes 
ungestümes Wesen gegen alle, von denen Du meinst, daß sie Dir nichts 
zu sagen haben, Deine tückische Schadenfreude, Deine Rachsucht — 
I u st. Machen Sie mich so schlimm, wie Sie wollen, ich will darum 
doch nicht schlechter von mir denken, als von meinem Hunde. Vorigen 
Winter ging ich in der Dämmerung an dem Kanäle und hörte etwas 
winseln. Ich stieg hinab und griff nach der Stimme und glaubte ein 
Kind zu retten, und zog einen Pudel aus dem Wasser. Auch gut, dachte 
ich. Der Pudel kam mir nach, aber ich bin kein Liebhaber von Pudeln. 
Ich jagte ihn fort, umsonst; ich prügelte ihn von mir, umsonst. Ich ließ
	        
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