III. Die Oberfläche der Erde.
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58) Neben jenen reizenden, idyllenartigen, neben jenen eben so erhabenen und feier¬
lichen, wie wahrhaft prachtvollen Schauspielen der Natur, an welchen die Schweiz so reich
ist, ruft die Natur daselbst auch zuweilen Scenen wilder, unaufhaltsamer Zerstörung her¬
vor, und wenn die ersteren bezaubern und entzücken, so erfüllen die anderen die Seele mit
Furcht und Schrecken. Zu jenen Scenen grausender Zerstörung gehören aber, nächst den
Alles mit sich fortreißenden Lawinen, deren wir weiter unten gedenken, vor Allem die
Berg- und Felsen stürze, welche ihre zerstörende Gewalt hier wie in anderen Gebirgen
auf die schreckenerregendste Weise ausüben. Die reizendsten Landschaften, üppige Wiesen,
von der fleißigen Hand des Menschen gepflegte Weingärten und Pflanzungen werden durch
sie plötzlich in Einöden umgewandelt, die friedlichen Wohnungen der Hirten, ja ganze
Ortschaften unter Schutt und Felsenstückcn begraben, die Quellen verschüttet, Flüsse in
ihrem Laufe gehemmt, Thalausgänge verschlossen, ganze Waldungen zerstört und begraben,
oder ganze Strecken fortgerückt, und nicht selten überschwemmt die Gegend da ein großer
See, wo sonst die Menschen ihre Wohnstätte aufgeschlagen hatten. Was sind aber die
Ursachen jener furchtbaren Katastrophen? Was bringt jene Berg- und Felsenkolosse aus
ihrer mehr als tausendjährigen Ruhe? Diese Frage drängt sich hier dem Leser gewiß vor
Allem auf, und darum wollen wir sie auch, so weit uns die Beobachtungen der Geologen
dazu in den Stand gesetzt haben, zunächst zu beantworten suchen.
Was die Bergstürze betrifft, so entstehen diese, wenn der Raum unter irgend einer
Stelle des Gebirges so weit ausgehöhlt ist, daß die Decke keinen Stützpunkt mehr hat,
was namentlich dann der Fall ist, wenn durch Spalten und Klüfte oder durch das lockere
Erdreich das Wasser eindringt, sich da, wo es nicht gleich weiter dringen kann, ansam¬
melt und allmälig poröse Gesteine und Schichten ganz durchtränkt, auflockert und auch
chemisch zersetzt. So müssen natürlich diese Massen, welche den über ihnen liegenden zur
Unterlage dienen, von Zeit zu Zeit immer schwankender werden, und zwar um so mehr,
je mehr sich die Schichten nach dem Horizonte hinneigen; sie geben immer mehr nach,
weichen endlich ganz, und so hat dies zuletzt das Einstürzen der Berge oder auch anderer
Erdschichten zur Folge. Senken sich dabei die Erdschichten nicht nach der Seite hin, son¬
dern mehr vertical in die Tiefe des Bodens selbst hinab, so daß trichterförmige oder auch
senkrechte Vertiefungen entstehen, so nennt man dies Erdfälle. Sie entstehen namentlich
da, wo Rauchwacke oder Gips die Unterlage bilden, oder unterirdisches Feuer die Erde
unterminirt hat, oder von der Hand des Menschen gemachte Weitungen in Bergwerken
nicht gehörig unterstützt wurden. Man findet sie von wenigen bis zu 300 Fuß im Durch- .
messer, und von einer oft sehr beträchtlichen Tiefe. Zuweilen sind sie mit Wasser ange¬
füllt, bald immer, bald nur periodisch, und aus diese Weise sind in manchen Gegenden
ganze Seen entstanden. So haben z. B. mehrere Seen in der Gegend von Eisleben sol¬
chen Erdfällen ihren Ursprung zu verdanken. Der merkwürdigste derselben ist unstreitig
der Salzsee; denn er ist der einzige salzhaltige See Deutschlands. Seine Länge beträgt
^wei Stunden, seine Breite gegen eine Stunde, und seine Tiefe schätzt man auf 32 — 36
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