II. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt.
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außerordentliche Dehnbarkeit eine Verbreitung, welche gestattet, daß sich auch
der Arme und Ärmste seines Glanzes und seiner sonnigen Farbe ersreut.
Es giebt wohl Tausende von Menschen, welche nie einen Diamant, einen
Sapphir oder dgl. Edelstein gesehen haben, es giebt aber kaum einen, der
nicht wüßte, wie das Gold aussieht; man denke nur, wie es durch die so¬
genannte Vergoldung und Goldsarbe verbreitet ist in unzähligen alltäglichen
Gegenständen, als Überzug von Ringen, Nadeln, Zierketten und Geweben,
auf Glas und Porzellan, in Druck und Malerei, in Flittern und Blättchen
und anderem kleinen Schmuck, und rnan wird zugestehen müssen, daß es in
solcher Beziehung längst ein Gemeingut für die ganze Welt geworden ist.
Man sagt gewöhnlich, man könne mit etneirt Dukaten einen Reiter mit
samt dem Rosse vergolden, es ist aber die Dehnbarkeit des Goldes noch
weit größer, ja sie ist beinahe ohne Grenzen zu nennen. Ein Gran Gold,
welcher dem Knöpfchen einer gewöhnlichen Stecknadel nicht einmal gleich
kommt, kann zu einem 160 m langen Draht ausgezogen werden, und
man schlägt, das Gold zu Blättchen, die nicht mehr als mm an
Dicke haben. Aber noch weiter geht das, wenn ein Silberdraht vergoldet
und dann gezogen und ausgewalzt wird. Auf diese Weise kann das Gold
als ein so feiner Überzug erhalten werden, das seine Dicke nicht über
5 Millionenteile eines Centimeters beträgt. Die Dehnbarkeit des Goldes war,
wie das sehr natürlich ist, schon den Alten bekannt und sie wußten auch
das Gold in Blätter zu schlagen und damit Holz, Steine und dgl. zu
vergolden, wie uns Plinius erzählt; die heutige Goldschlägerkunst leistet
aber in der Feinheit der Blätter über das Dreifache von dem, wie es die
Römer kannten. In einem hohen Grade, obwohl weit weniger dehnbar als
das Gold, ist das Silber und dann folgt das Platin.
Es gesellen sich zu diesen Eigenschaften der edlen Metalle nun noch
für das Gold und Silber die bekannte schöne Farbe, und für das Platin
seine Unschmelzbarkeit in gewöhnlichem Feuer.
Die edlen Metalle sind ferner schwerer, als die meisten unedlen, und
zwar so, daß Gold und Platin über 19 mal schwerer sind als das Wasser,
und das Silber etwas über 10 mal. Dieses ist nämlich so zu verstehen,
daß ein Gefäß mit Wasser gewogen und dann mit Gold ganz ausgefüllt
nun 19 mal mehr wiegen würde. Diese bedeutende Schwere erleichtert
aber die Gewinnung dieser Metalle, wenn sie von Gestein und Sand
durch das Schlemmen getrennt werden sollen, denn die meisten Erdarten
und Gesteine sind nicht Uber dreimal schwerer als das Wasser, sie wer¬
den also beim Schlemmen leicht sortgespült, während die edlen Metalle
liegen bleiben.
Alle diese Eigenschaften zusammengenommen erkennt man, daß die edlen
Metalle mit mancherlei Vorzügen begabt sind, und daZsie, wenn auch
zum Teil sehr allgemein verbreitet, doch eben nicht in gar zu großen
Mengen vorkommen, so haben sie dadurch noch einen höhern Wert.
Wenn man beim Adel auf das Alter sieht, so glänzen wenigstens
Gold und Silber auch darin, denn sie sind die ältesten Metalle, welche
man kennt, oder besser gesagt diejenigen, welche man am längsten kennt.