II. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt.
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dicken Lösung desselben Stoffes auf die Ledersohle aufgeklebt. Mit dünnen
Blättern oder Bändern werden Gefäße verbunden oder Waren hineinge¬
wickelt, um sie vor Feuchtigkeit zu schützen. Zahlreiche chirurgische In¬
strumente werden aus Guttapercha verfertigt; Lösungen dieses Stoffes
werden auf Leder gestrichen, um es wasserdicht zu machen.
In neuerer Zeit wird die gereinigte Guttapercha auch vielfach zur
Darstellung künstlicher Gebisse und zur Ausfüllung hohler Zähne ange¬
wandt. Diese gereinigte Guttapercha wird pro 1/2 kg mit 36 M. be¬
zahlt und in Stengelform in den Handel gebracht. Eine Lösung derselben
in Chloroform dient häufig als Traumaticin wie das Kollodium zur Be¬
deckung von Wunden, indem das Guttapercha nach dem Verdunsten des
Chloroforms als dünnes Häutchen erscheint, das undurchdringlich für
Wasser ist.
Auf ähnliche Weise wie Kautschuk kann Gutta-Percha vulkanisiert
werden, was zuerst von Lüdersdorfs in Berlin versucht wurde. Dadurch
verliert sie allerdings die Plasticität, löst sich jedoch nicht mehr auf und
nimmt bei starkem Zusatz von Schwefel eine solche Härte an, daß sie dem
Ebonit sehr ähnlich wird.
Fabriken für Guttapercha befinden sich in Berlin, Augsburg, Wien,
London und Hamburg. Meistens verarbeiten die Kautschukfabriken zugleich
auch Guttapercha. I)r. I. Winckelmann.
175. Der Bernstein.
Wenn man den Bernstein auch vereinzelt an den verschiedensten
Punkten der Erde und in verschiedenen geologischen Schichten angetroffen
hat, so ist doch heute noch wie vor Jahrtausenden die Küste der Ostsee
die eigentliche Heimat, der weitaus ergiebigste Fundort desselben.
Da bringen phönizische Männer das Elektron, den Sonnenstein, den
Völkern, die das Mittelmeer umwohnen, aus fabelhafter Ferne, vom Ende
der Welt als größte Kostbarkeit; und während sich die schönen Griechinnen
mit ihm schmücken, und die Dichter dieses begabtesten aller Völker von
ihm fabeln, daß die glänzenden Stücke versteinerte Thränen solcher Heroinen
seien, die von den Göttern mit tragischem Geschick heimgesucht wurden,
entdeckten griechische Philosophen in ihm jene im Dienste der Menschheit
heute so gewaltige physikalische Kraft und nennen sie nach ihm die Elektricität.
Der erste, der den Bernstein erwähnt, ist Homer (950 v. Chr.).
Seit seiner Zeit blieb der Bernstein während des ganzen Altertums einer
der hochgeschätztesten Edelsteine, griechische und römische Dichter preisen
ihn und besonders feiert ihn der römische Dichter Martial, der vorzugs¬
weise den im Bernstein oft eingeschlossenen Insekten mehrere hübsche Epi¬
gramme widmet. Als Beispiel diene folgendes:
Die Biene im Bernstein.
Ganz im Bernsteintropfen verborgen erblickst du die Biene
Deutlich, als hüllte rings eigener Honig sie ein.
Würdigen Lohn wohl trug sie davon für das Leben voll Arbeit,
Glauben möcht' ich, daß so selber sie sterben gewollt!