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I. Lebensbilder.
von der Thorheit seiner Selbstüberschätzung überzeugte „und auf diese Weise bewahrte,
ein — wahrscheinlich sehr schlechter — Dichter zu werden."
Dagegen bemühte sich Benjamin auf das eifrigste, sich zu einem guten pro¬
saischen Schriftsteller zu bilden. Sein edler Ehrgeiz diente ihm dabei als scharfer Sporn.
Einer seiner vertrautesten Jugendfreunde John Collins, ein talenwoller Kopf, der eben
so die Bücher liebte, disputierte mit Benjamin über alles, was ihnen in den Weg
kam. Einst lag ihnen eine Streitfrage vor, ob es schicklich sei, das weibliche Geschlecht
in den Wissenschaften zu erziehen oder nicht? Collins verneinte, Franklin bejahte diese
Frage. Collins war beredter, es standen ihm mehr Worte zu Gebote; Franklin
fühlte sich daher zuweilen mehr durch den Fluß der Rede, als auch die Stärke der
Gründe besiegt. Ohne sich vereinigt zu haben, schieden sie, und da sie einige Tage
einander nicht sprechen konnten, schrieb Franklin seine Beweisgründe nieder und schickte
sie seinem Freunde zn. Dieser antwortete und erwiderte. Drei oder vier Briese
hatten sie gewechselt, als Benjamin's Vater sie zufällig fand und las. Ohne sich
über die Frage selbst auszusprechen, machte er seinen Sohn nur darauf aufmerksam,
daß er in der Schönheit des Ausdrucks, und in der Klarheit der Behandlungsweise
hinter seinem Gegner zurückbliebe. Benjamin erkannte die Wahrheit dieser Bemer¬
kungen und wandte von jetzt alle Mühe an, seinen Stil zu verbessern. — Zu der
Zeit fiel ihm ein Band von dem damals sehr berühmten Blatte „Spektator“ (Beo¬
bachter) in die Hände, das sich durch Sprache und Inhalt gleich sehr auszeichnete.
Das Werk entzückte ihn; er las es, und las es immer wieder; da fiel er auf die
Gedanken, sich eine solche Sprache anzueignen. Zu diesem Ende nahm er einige
Aufsätze heraus, merkte sich die Hauptgedanken, legte sie dann einige Tage bei Seite
und versuchte sie dann, in den besten Worten wieder zu geben. Seine Vergleichung
zeigte ihm bald seine Fehler; besonders fühlte er, daß es ihm an Worten fehle.
Früher hatte er aber als Dichter die Erfahrung gemacht, daß das Suchen nach dem
Reim seinen Wortschatz sehr vermehrt hatte; er brachte daher wieder einige Aufsätze
in Reime und verwandelte sie dann später in Prosa. Dann mischte er seine Be¬
merkungen durch einander und suchte sie später wieder zu ordnen. Das Original
zeigte ihm auch hier wieder seine Fehler, die er nun verbesserte. Seine Fortschritte
flößten ihm Mut und die Hoffnung ein, sich zu einen erträglichen englischen Schrift¬
steller heranbilden zu können, — einer von den großen Gegenständen seines Ehrgeizes!
Diese Uebungen stellte er nachts und morgens vor und nach der Arbeit an, und
namentlich benutzte er auch die Sountagsstunden dazu. —
In seinem 16. Jahre fiel ihm ein Werk über vegetabilische Diät in die Hände.
Er beschloß, dieser Diät nachzuleben. Er machte seinem Bruder den Vorschlag, ihm
die Hälfte des Geldes zu geben, was er wöchentlich für seine Kost dem Wirt geben
müsse; er wolle sich selbst beköstigen. Der Bruder ging darauf ein; Benjamin lebte
nun als Vegetarianer um die Hälfte wohlfeiler und hatte so Gelegenheit, das Er¬
sparte auf den Ankauf von Büchern zu verwenden. Oft genoß er nur einen Zwieback
oder ein Stückchen Kuchen mit einem Glas Wasser. Diese außerordentliche Mäßig¬
keit im Essen und Trinken brachte ihm zugleich den Vorteil, daß sein Kopf stets klar
und seine Fassungskraft scharf blieb.
In seinen früheren Jahren hegte er große Abneigung vor dem Rechnen und
lernte deshalb nur sehr wenig in diesem Fach. Um diese Lücke in seinem Wissen und
Können auszufüllen, warf er sich mit großem Eifer auf die Mathematik und lernte
nun eine Kunst, an der seine Anstrengung in der Schule immer gescheitert war.
Seit dem Jahre 1720 gab Franklin's Bruder ein Blatt heraus. Benjamin
mußte dasselbe erst setzen und abziehen und dann bei den Abonnenten herumtragen.
Unter seines Bruders Freunden waren einige geistreiche Männer, die zuweilen kleine
Aufsätze für das Blatt lieferten und dadurch zur Hebung desselben wesentlich bei¬
trugen. Ihre Unterhaltung über den Beifall, den sie vom Publikum ernteten, reizte
den Ehrgeiz des jungen Druckers und er beschloß, der Welt auch einige Aufsätze vor¬
zulegen. Aber er fürchtete, sein Bruder möge die Arbeiten nicht aufnehmen, er
schrieb daher mit verstellter Hand ein anonymes Blättchen und legte es abends unter
die Thür der Druckerei. Sein Bruder, der es des Morgens fand, legte es seinen
Freunden vor, die es in Benjamins Gegenwart lobten und auf einige der bedeutend-