Das Beweisverfahren 103 
v. Das Beweisverfahren insbesondere. 
Eine Tatsache, welche von der Gegenpartei nicht ausdrücklich oder ?99 
stillschweigend zugestanden wird, und deren Richtigkeit auch nicht g e - 
richtskundig (d. h. allgemein bekannt) ist, muß, wenn sie seitens 
des Gerichts berücksichtigt werden soll, von der Partei, welche sie be¬ 
hauptet hat, bewiesen werden. Die Beweislast sür eine 
Tatsache trifft mit anderen Worten stets denjenigen, 
der sie behauptet. Das ist aber nicht immer gerade der 
Kläger. Wohl muß dieser die zur Begründung der Klage ge¬ 
hörenden Behauptungen beweisen. Häufig aber gibt der Beklagte 
diese Behauptungen als richtig zu und beantragt gleichwohl Klagab¬ 
weisung, indem er die „E i n r e d e" vorträgt, der an sich ursprünglich 
begriindete Klaganspruch sei infolge anderer Tatsachen weggefallen 
oder doch zurzeit nicht gerechtfertigt; alsdann muß der Beklagte die 
einredeweise vorgebrachten Tatsachen beweisen. So z. B., wenn er 
gegenüber einer Klage auf Rückzahlung eines Darlehens den Emp¬ 
fang desselben zugibt, aber die Einrede der bereits erfolgten Rück¬ 
zahlung oder der Stundung geltend macht. 
Ueber das Ergebnis der Beweisaufnahme hat das Gericht nach 600 
seiner freien Ueberzeugung zu entscheiden, ohne an bestimmte Beweis¬ 
regeln, wie sie das frühere Recht kannte, gebunden zu sein; es gilt 
also der Grundsatz der freien Beweiswürdigung. 
Die verschiedenen Beweismittel sind Zeugen, Sachverständige, 
richterlicher Augenschein, Urkunden und Eid. 
1. Die Zeugen 
Zur Ablegung des Zeugnisses über Wahrnehmungen, welche für 601 
einen Rechtsstreit von Bedeutung sind, ist grundsätzlich jedermann bei 
Vermeidung von Geld- oder Haftstrafen verpflichtet. Das Zeug¬ 
nis darf jedoch verweigern, wer mit einer der Parteien 
verlobt oder verheiratet oder nahe verwandt oder verschwägert ist; 
ferner Geistliche, Aerzte, Rechtsanwälte usw., soweit sie durch ihren 
Beruf zur Geheimhaltung von Tatsachen verpflichtet sind, die ihnen 
in demselben anvertraut wurden Auch kann jedermann das Zeugnis 
verweigern über Fragen, deren Beantwortung ihm oder seinen An¬ 
gehörigen einen unmittelbaren Vermögensschaden verursachen oder 
zur Unehre gereichen oder eine strafgerichtliche Verfolgung zuziehen 
würde, oder deren Beantwortung nur unter Preisgebung eines Kunst¬ 
oder Gewerbegeheimnisses möglich wäre. 
DieZeugen werden, sofern sie 16 Jahre alt und bei ge- 602 
sundem Verstände, auch nicht infolge einer früheren Verurteilung 
wegen Meineides eidesunfähig sind, eidlich v e r n 0 m m e n , d. h. 
G l 0 ck, Bürgerkunde. 3. 
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