Der Bundesrat.
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G. Der Bundesrat.
1. Seine Rechtsstellung und Zusammensetzung.
Soweit die Reichsgewalt nicht dem Kaiser übertragen ist, steht 66
sie den „verbündeten Regierungen" zu. Das Organ aber, durch
welches die Regierungen diese Gewalt ausüben, ist der Bundes¬
rat, d. h. die Versammlung von Vertretern aller
Regierungen der deutschen Bundes staate n. Die
Bundesratsbeschlüsse stellen also den Willen der verbündeten deutschen
Regierungen dar.^ Der Bundesrat ist demnach kein Organ der Volks¬
vertretung; man darf ihn nicht etwa mit einem sog. Herrenhause oder
einer ersten Kammer vergleichen; vielmehr verhält er sich zu dem
Volksvertretungskörper des Reichstags ähnlich wie in den Einzel¬
staaten die durch die Ministerien vertretene Landesregierung zu den
Landtagen?^
Da die deutschen Bundesstaaten an Größe und Bedeutung sehr 67
ungleich sind, können sie im Bundesrat nicht alle gleiches Stimmrecht
haben; es werden daher die Stimmen der kleinsten Staaten im Bun¬
desrat nur einfach, die Stimmen der größeren Staaten dagegen
mehrfach gerechnet, und zwar fallen von den 58 Stimmen, welche
der Bundesrat zählt, auf Preußen 17, auf Bayern 6, auf Sachsen
und Württemberg je 4, auf Baden und Hessen je 3, auf Mecklenburg-
Schwerin und Braunschweig je 2, auf alle anderen Staaten endlich
je eine Stimme.^
Jeder Bundesstaat kann soviele Vertreter („B u n d e s r a t s - 68
24 Im Bundesrate üben die Landesherren diejenigen Souveränitäts¬
rechte gemeinsam aus, auf deren alleinige und selbständige Ausübung sie
zugunsten des Reichs mit dessen Gründung Verzicht geleistet haben.
26 Dagegen hat allerdings die Einrichtung und Gestaltung des Bundes¬
rats, in welchen regelmäßig von den Regierungen nur Persönlichkeiten ent¬
sandt werden, die mit dem Staats- und Rechtsleben gründlich vertraut sind,
die Schaffung eines weiteren Volksvertretungskörpers (Senat oder Herren¬
haus) neben dem Reichstage entbehrlich gemacht.
2° Die Stimme des F ü r st e n t u m s W a l d e ck , das durch Staats¬
vertrag ganz in preußische Verwaltung übergegangen ist, wird auch von
Preußen geführt, so daß dieses tatsächlich im Bundesrat 18 S t i m m e n
hat. Die R eichslande Elsaß-Lothringen sind im Bundesrat
nicht vertreten; doch kann der Statthalter zur Vertretung der Landesinter¬
essen Kommissare mit beratender, nicht beschließender Stimme in den
Bundesrat entsenden.
Bei der Verteilung der Stimmen im Bundesrat mußten die kleinen
Staaten verhältnismäßig günstiger gestellt werden, als die großen. Bei
einer Verteilung nach der Einwohnerzahl hätte Preußen mit seinen 37,3
Millionen Einwohnern erheblich mehr als die Hälfte aller Stimmen zu be¬
ansprucheil, womit den Stimmen der übrigen Staaten jede Bedeutung ge¬
nommen wäre.