Metadata: [Teil 3 = Schulj. 7, 8 u. 9] (Teil 3 = Schulj. 7, 8 u. 9)

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Der Schäfer sah und hörte nur zu deutlich, daß die Drohung 
«ernst gemeint war. Er konnte an ihrer Ausführung nicht zweifeln. 
Sein Gesicht wurde bleich. Er zitterte leise, und einen Augenblick 
lang drohten seine Kniee unter ihm zusammenzubrechen. Er¬ 
dachte an sein armes Weib und an seine Kinder. Die Versuchung 
war groß und schwer. Aber er überwand sich und erlangte bald 
seine frühere Fassung wieder. Dann sprach er fest: „Ich bin kein 
Verräter und will auch keiner werden!" 
„Du willst also nicht?" rief der Marschall heftig. 
„Nein," antwortete der wackere, der heldenmütige Mann. 
„Führt ihn fort!" befahl der Marschall in heftigem Zorn 
-einem Offizier. „Führt ihn fort! Gebt ihm noch eine halbe 
Stunde Zeit, sich zu besinnen. Wenn er dann noch ebenso trotzig 
ist, so laßt ihn ohne weiteres erschießen!" 
Er wandte sich ab, und Born wurde von den Soldaten fort¬ 
geführt. Seine Hände wurden ihm auf den Rücken gebunden, 
und so führte man ihn den Abhang des Berges hinab. Drei Sol- 
Paten luden vor seinen Augen ihre Gewehre. Er wußte, was es 
bedeutete, und wandte sich ab. Eine halbe Stunde Zeit war ihm 
noch gegönnt, um sich zu besinnen. Er setzte sich schweigend nieder 
und richtete den Blick hinunter in das Tal und zu den fernen 
Bergeshöhen. Hier waren seine Söhne und dort sein Weib und 
seine Tochter. Ach, sie ahnten nicht, was ihn betroffen hatte, und 
was er in einer halben Stunde erleiden sollte! Dort stand sein 
kleines Haus. Die Fenster leuchteten so freundlich im Glanze der 
Morgensonne. Er sollte es nie wieder betreten und seines stillen 
Glückes sich erfreuen. Hier und dort herum waren die Berge und 
die Täler seiner geliebten Heimat. Er kannte jede Stadt, jedes 
Dorf, jeden Wald, jeden Fluß. Auf diesen Fluren hatte er als 
Kind gespielt. Hier hatte er sein Leben unter Mühen und Ar¬ 
beiten und doch glücklich und zufrieden bisher geführt. Seine 
Heimat, seine geliebte Heimat war so schön, so wunderschön. In 
wenigen Augenblicken sollte er von ihr scheiden und sie für immer 
verlassen. Seine Wangen waren bleich geworden. Eine Träne 
war ihm in das ehrliche Auge getreten. Er drängte sie zurück. 
Dann senkte er sein Haupt still zur Erde. Er konnte seine ge¬ 
bundenen Hände nicht falten; aber er konnte auch so zu seinem 
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