Full text: Das dritte Schuljahr

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Beim Lesen der einzelnen Stücke ist mit aller Sorgfalt danach 
zn trachten, daß es fließend und niit natürlicher Betonung aus¬ 
geführt wird. Der bekannte Singeton darf keinen Augenblick geduldet 
werden. Treffen die Kinder die natürliche Betonung nicht, so liest der 
Lehrer die betreffende Stelle vor. Dadurch, daß ein Lesestück gut 
vorgelesen wird, erhält der Schüler einen oft sehr wirksamen Ein¬ 
druck vom Inhalt desselben. Gut Lesen niacht durch Pausieren an den 
betreffenden Stellen die Gliederung der Darstellung erkennbar, hebt 
durch Betonung diejenigen Wörter hervor, welche die Hauptvorstellungen 
enthalten, laßt Gedanken, welche eine besondere Beachtung beanspruchen, 
deutlich aus den Nebengedanken heraustreten und bahnt dem Inhalt, 
indem es denselben durch den Leseton zu dem ihm angemessenen Aus- 
drucke kommen läßt, den Zugang zum Denken und Empfinden des 
hörenden Schülers. „Gut gelesen", sagt Thilo, „ist mehr als halb 
erklärt und allemal besser, als schlecht, breit und mangelhaft erklärt." 
Für die Betonung gilt im allgemeinen folgende Regel: In 
jeder Rede werden die Ausdrücke derjenigen Vorstellungen betont, aus 
die man die Aufmerksamkeit des Zuhörers hinleiten will, vornehmlich 
also diejenigen, die einen Gegensatz bilden, oder die dazu dienen, eine 
andere Vorstellung näher zu bestimmen oder ein Urteil zu begründen. 
Die Betonung zeigt sich also am einzelnen Worte in der Hervorhebung 
einer oder einiger Silben, im Satze in der Hervorhebung eines oder 
mehrerer Glieder, in der ganzen Rede in der Hervorhebung einzelner 
Sätze, und zwar erfolgt diese Hervorhebung in der Weise, daß der 
Hauptton einem Gliede zukommt, während andere, zwar auch be¬ 
tonte, den Nebenton erhalten. — 
Besonders erwähnt sei noch das Chorlesen. Es giebt Gründe, 
um deren Willen es in der Schule zu pflegen ist. Die wichtigsten der¬ 
selben sind folgende: 
1. Das Chorlesen bietet Gelegenheit zu vermehrter 
Pflege der Lesefertigkeit. Die Schulklassen sind häufig so über¬ 
füllt, die Kräfte des Lehrers durch den Abteilungsunterricht häufig so 
zersplittert, daß es beim besten Willen nicht möglich wird, jeden 
einzelnen Schüler lesen zu lassen, oder ihm so viel Zeit für das Lesen 
zu gewähren, wie zur Übung in der Fertigkeit notwendig ist. In 
solchen Fällen und aus solchen Gründen ist es zweckmäßig, daß der 
Lehrer einen kleinen Teil der Stunde zum gemeinsamen lallten Lesen 
verwendet.
	        
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