Full text: Für die Unterstufe der Lehrerseminare (Band 2, [Schülerband])

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167. Die Kaiserwahl. (1817) 
Von L. Uhland. 
Gedichte und Dramen. Stuttgart 1863. Bd. UI; Herzog Ernst, 2. Aufzug, S. 61. 
Der fromme Kaiser Heinrich war gestorben, Und aus den wenigen erkor man zween, 
Des sächsischen Geschlechtes letzter Zweig, All' beide Franken, fürstlichen Geschlechts, 5 
Das glorreich ein Jahrhundert lang geherrscht. Erzeugt von Brüdern, Namensbrüder selbst, 
Als nun die Botschaft in das Reich erging. Kunrade, längst mit gleichem Ruhm genannt. 
Da fuhr ein reger Geist in alles Volk Da standen nun auf eines Hügels Saum 
Ein neu Weltalter schien heraufzuziehn, Im Kreis der Fürsten, sichtbar allem Volk, 
Da lebte jeder längst entschlafne Wunsch Die beiden Männer, die aus freier Wahl 10 
Und jede längst erloschne Hoffnung auf. Das deutsche Volk des Thrones wert er— 
Kein Wunder jetzo, wenn ein deutscher Mann, kannt, 
Dem sonst so Hohes nie zu Hirne stieg, Vor allen, die der deutsche Boden nährt, 
Sich, heimlich forschend, mit den Blicken maß: Von allen Würdigen die Würdigsten, 
Kann's doch nach deutschem Rechte wohl ge⸗ Und so einander selbst an Würde gleich, 16 
schehn, Daß fürder nicht die Wahl zu schreiten schien, 
Daß, wer dem Kaiser heu' den Bügel hält, Und daß die Wage ruht' im Gleichgewicht. 
Sich morgen selber in den Sattel schwingt! Da standen sie, das hohe Haupt geneigt, 
Jetzt dachten unsre freien Männer nicht Den Blick gesenkt, die Wange schamerglüht, 
An Hub⸗ und Haingericht und Markgeding, Von stolzer Demut überwältiget: 20 
Wo man um Esch' und Holzteil Sprache hält; Ein königlicher Anblick war's, ob dem 
Nein, stattlich ausgerüstet zogen sie Die Träne rollt' in manchen Mannes Bart. 
Aus allen Gauen, einzeln und geschart, Und wie nun harrend all' die Menge stand, 
Ins Maienfeld hinab zur Kaiserwahl. Und sich des Volkes Brausen so gelegt, 
Am schönen Rheinstrom, zwischen Worms und Daß man des Rheines stillen Zug vernahm 26 
Mainz, Denn niemand wagt' es, diesen oder den 
Wo unabsehbar sich die ebne Flur Zu küren mit dem hellen Ruf der Wahl, 
Auf beiden Ufern breitet, sammelte Um nicht am andern Unrecht zu begehn, 
Der Andrang sich: die Mauern einer Stadt Noch aufzuregen Eifersucht und Zwist), 
Vermochten nicht das deutsche Volk zu fassen. Da sah man plötzlich, wie die beiden Herr'n 0 
Am rechten Ufer spannten ihr Gezelt Einander herzlich faßten bei der Hand 
Die Sachsen samt der slaw'schen Nachbarschaft, Und sich begegneten im Bruderkuß: 
Die Bayern, die Ostfranken und die Schwaben; Da ward es klar, sie hegten keinen Neid, 
Am linken lagerten die rhein'schen Franken, Und jeder stand dem andern gern zurück. 
Die Ober- und die Nieder-Lothringer, — Der Erzbischof von Mainz erhub sich jetzt. 
So war das Mark von Deutschland hier ge Weil doch“, so rief er, „einer es muß sein, 
drängt. So sei's der ältre.“ Freudig stimmten bei 
Und mitten in dem Lager jeden Volls Gesamte Fürsten, und am freudigsten 
Erhub sich stolz das herzogliche Zelt. Der jüngre Kunrad; donnergleich erscholl, 
Da war ein Grüßen und ein Haändeschlag. Oft wiederholt, des Volkes Beifallsruf. 
Ein Austausch, ein lebendiger Verkehr! Als der Gewählte drauf sich niederließ, 
Und jeder Stamm, verschieden an Gesicht, Ergriff er seines edlen Vetters Hand 
An Wuchs und Haltung, Mundart, Sitte, Und zog ihn zu sich auf den Königssitz. 
Tracht, Und in den Ring der Fürsten trat sofort 
An Pferden, Rüstung, Waffenfertigkeit, Die fromme Kaiserwitwe Kunigund: 25 
Und alle doch ein großes Brüdervolk, Glückwünschend reichte sie dem neuen König 
Zu gleichem Zwecke festlich hier vereint! Die treubewahrten Reichskleinode dar. 
Was jeder im besondern erst beriet, Zum d aber scharten sich die Reih'n, 
Im hůllenden Gezelt und im Gebüsch Voran der König, folgend mit Gesang 
Der Inselbuchten, mählich war's gereift Die Geistlichen und Laien; soviel Preis 
Zum allgemeinen, offenen Beschluß. Erscholl zum Himmel nie an einem Tag! 
Aus vielen wurden wenige gewählt, Wär' Kaiser Karl gestiegen aus der Gruft, 
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