Das schwurgerichtliche Verfahren
108
werden sollen, verlesen. Jeder Geschworene, sowie der Staatsanwalt,
der Verteidiger und der Angeklagte sind befugt, eine Abänderung
oder Ergänzung der Fragen zu beantragen. Sind diese endgültig
festgestellt, so erhalten die Staatsanwaltschaft und der Verteidiger,
sowie der Angeklagte selbst zu ihren Ausführungen das Wort. Als¬
dann erläutert der Vorsitzende den Geschworenen die bei Beantwor¬
tung der Fragen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkte, je¬
doch ohne in eine Würdigung der erhobenen Beweise einzugehen, und
übergibt hieraus den Fragebogen den Geschworenen, welche sich damit
in das Beratungszimmer zurückziehen. Dort wählen die Geschwo¬
renen zunächst aus ihrer Mitte einen Obmann und stimmen sodann
über die Fragen mit ja oder nein ab. Auch hier ist zur Bejahung
einer Schuldsrage stets eine Mehrheit von zwei Dritteilen der Stim¬
men (also mindestens 8 Stimmen) erforderlich.^
Der Obmann schreibt die aus der Abstimmung sich ergebenden 313
Antworten nieder, unterzeichnet sie und gibt hierauf, nachdem die
Geschworenen in den Sitzungssaal zurückgekehrt sind, den Spruch der
Geschworenen durch Verlesen der Fragen und Antworten mit den
Worten kund: „Auf Ehre und Gewissen bezeuge ich als den Spruch
der Geschworenen: . . ." Haben die Geschworenen die Schuld des An- 3'4
geklagten verneint,^ so spricht der Gerichtshof diesen frei. Andern¬
falls werden der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte
zunächst noch mit ihren Ausführungen und Anträgen über die Art
17 Da aus dem Spruch der Geschworenen zwar hervorgehen soll, ob die
Schuldigsprechung mit der dazu nötigen Stimmenmehrheit erfolgt ist, nicht
aber, wie viele Stimmen sich dafür aussprachen, so muß die schriftliche Ant¬
wort aus die Schuldsrage im Falle der Bejahung lauten: „Ja, mit mehr als
sieben Stimmen." Ebenso hat bei Verneinung einer Frage nach mildern¬
den Ilmständen die Antwort zu lauten: „Nein, mit mehr als sechs Stimmen";
denn hier genügt zur Verneinung die einfache (sog. absolute) Mehrheit.
18 Der Geschworene muß bei Abgabe seiner Stimme stets eingedenk
sein, daß er Richter ist und als solcher nicht über dem Gesetze steht, son¬
dern den Willen des Gesetzes zu vollziehen hat. Bei Beantwortung der
Schuldfrage hat daher der Geschworene nur darnach zu fragen, ob die Tat
so, wie sie erwiesen ist, unter das Gesetz fällt, mag ihm auch das Gesetz un¬
billig oder hart erscheinen. Würde der Geschworene an Stelle des Willens
des Gesetzes seine Willkür setzen, würde er z. B., beeinflußt durch eine er¬
regte, irre geleitete öffentliche Meinung, ein „schuldig" aussprechen, obgleich
ein Schuldbeweis nicht erbracht ist, oder würde er aus Mitleid oder weil er
die gesetzliche Strafe zu hoch findet, einen Schuldigen für unschuldig er¬
klären, so läge darin eine schwere Verletzung der von ihm feierlich be¬
schworenen Richterpflicht. Uebrigens müssen und dürfen die Geschworenen
stets das Vertrauen haben, daß der Gerichtshof bei Bemessung der Strafe
allen Umständen des Falles Rechnung tragen werde, und daß in Fällen, in
denen auch das gesetzliche Mindestmaß an Strafe noch zu hoch erscheint, Be¬
gnadigung eintreten werde. Gnade walten zu lassen ist aber nicht Sache
des Richters, sondern des Landesherrn.