Full text: Deutsche Bürgerkunde

Der Reichskanzler 
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bracht wird, erst nach der Unterschrift des Reichs¬ 
kanzlers fragen sollte. Daraus folgt, daß der Kaiser 
auch bei Erlaß der Vorschriften über die Friedens¬ 
ausbildung der Truppen, Exerzierreglements u. s. w. 
und über die Aufrechterhaltung der Disziplin (Be¬ 
schwerderecht), kurz in den sogenannten reinen Kom¬ 
mandoangelegenheiten nicht durch einen ver¬ 
fassungsmäßigen Berater beschränkt sein kann. 
Wie der Reichskanzler dem Kaiser für genaue 
Vollziehung der von ihm gegengezeichneten kaiserlichen 
Anordnungen haftet, so ist er andrerseits auch dem 
Bundesrat dafür verantwortlich, daß die von diesem 
der Verfassung gemäß gefaßten Beschlüsse auch wirklich 
ausgeführt werden, und daß die kaiserlichen Anordnungen 
den verfassungsmäßigen Rechten des Bundesrats nicht 
zuwiderlaufen. Ausdrücklich ist ihm zur Pflicht gemacht, 
dem Bundesrat, und demnächst auch dem Reichstag, 
über die Verwendung aller Einnahmen des Reichs 
zur Entlastung (Richtigsprechung, Decharge) jährlich 
Rechnung zu legen. Der Bundesrat würde die Ent¬ 
lastung verweigern, wenn die Einnahmen nicht be¬ 
stimmungsgemäß verwendet worden wären. Im Reiche 
selbst ist der Bundesrat niemand verantwortlich. Die 
Bundesregierungen können nur von ihren einheimischen 
Landesvertretungen je nach dem Stande des Landes¬ 
rechts zur Verantwortung gezogen werden (S. 25). 
Der Reichskanzler ist endlich auch dem Reichs¬ 
tag für die von ihm gegengezeichneten kaiserlichen Re¬ 
gierungsakte — also nicht etwa auch für die Beschlüsse 
des Bundesrats — verantwortlich. Er wird sich des¬ 
halb nicht weigern können, dem Reichstage über die 
Verfassungs- und Gesetzmäßigkeit sowie über die 
Zweckmäßigkeit der durch seine Gegenzeichnung ge¬ 
billigten Maßregeln Rede zu stehen. Freilich hat der 
Reichstag gegen den Reichskanzler keinerlei Zwangs¬ 
mittel, wie er denn auch an der eigentlichen Regierungs- 
Reichs- 
kanzler und 
Bundesrat 
Art. 72 
Reichs¬ 
kanzler und 
Reichstag
	        
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