Full text: Bilder aus den deutschen Küstenländern der Ostsee (Bd. 11)

306 Stettin. 
gleichfalls aus karrarischem Marmor gefertigt. Es wurde 1348 von der 
dankbaren Stadt Stettin errichtet. — Tritt man aus dem Königsthore heraus, 
fo gelangt man zu den schönen parkartigen Anlagen, welche der Bemühung 
des Oberpräsidenten Sack ihre Entstehung verdanken, und von da zu dem wohl- 
gepflegten alten Kirchhose. 
Es ist erfreulich, zu sehen, daß Stettin auch in der Pflege geistiger 
Güter mit ihren begünstigteren Schwesterstädten wetteifert. Dafür zeugt das 
Vorhandensein von 5 höheren Schulen (3 Gymnasien und 2 Realgymnasien), 
von denen 2 aus staatlichen, 3 aus städtischen Mitteln unterhalten werden. 
Dazu kommt, daß die Stadt eine bedeutende Bildersammlung mit zahlreichen 
wertvollen Gemälden und ein eignes Theater besitzt. Jüngst ist auch der Wunsch 
der Bürgerschaft, für Wissenschaft und Kunst ein würdiges Heim geschaffen zu 
sehen, durch die Gründung des Konzert- und Vereinshauses, eines gewaltigen 
Bauwerkes im Renaissancestil, in dankenswerter Weise verwirklicht worden. 
Stettin ist die Vaterstadt zahlreicher berühmter Leute. Den ersten Platz 
unter ihnen nimmt die russische Kaiserin Katharina IL ein, welche hier am 
21. April 1729 als die Tochter des Fürsten Christian August von Anhalt- 
Zerbst geboren ward. Ihrer Anhänglichkeit an ihre Vaterstadt hat sie durch 
manche Geschenke, wie durch die Zuwendung je eines Stückes aller in Ruß- 
land geschlagenen Goldmünzen, Ausdruck gegeben. Auch die zweite Gemahlin 
ihres Sohnes Paul, Maria, Prinzessin von Württemberg, hat in Stettin das 
Licht der Welt erblickt (1759). Daß nicht nur sie 1304 dem Lyeeum bei 
seinem Jubiläum 100 Dukaten zuwandte, sondern auch ihr Sohn Alexanderl. 
1000 Rubel hinzufügte, außerdem der Stadt die goldene Krönungsmedaille 
und dem Schützenvereine der Kaufmannschaft 1000 Dukaten schenkte, zeigt, 
welchen Wert man am Petersburger Hofe auf die Fortdauer solcher freund- 
schaftlichen Beziehungen legte. Für diese Beweise fürstlicher Huld zeigten sich 
die Stettiner dadurch erkenntlich, daß sie im März 1806, wo das Korps des 
Grafen Tolstoy durch die Stadt zog, die Truppen gastlich bewirteten. — In 
Stettin ist auch der bekannte Feldmarschall Graf Friedrich von Wrangel geboren 
(1784). Dort hat er auch nach seinem Wunsche 1877 seine Ruhestätte gesunden. 
Von hervorragenden Männern auf dem Gebiete der Kunst und Wissenschaft 
stammen aus Stettin: Friedr. Scherenberg (geb. 1793), der Verfasser dichterischer 
Schlachtgemälde, der Dichter und Kunsthistoriker Franz Kugler (geb. 1808), 
der Dichter und Schriftsteller Robert Prntz (geb. 1316), der Maler Theodor 
Hildebrandt (geb. 1804). — Andre bedeutende Leute haben hier ein Feld für 
ihre Wirksamkeit gefunden. Dahin gehören unter andern der Musikdirektor 
Karl Löwe, der berühmte Tondichter, welcher von 1822—66 Lehrer am 
Marienstiftsgymnasium war, dann sein Amtsgenosse, der Professor Ludwig 
Giesebrecht, welcher als Geschichtsforscher und Dichter sich einen Namen erwarb, 
und endlich I. Beschnitt, der Komponist zahlreicher Lieder, welcher als Kantor 
an der katholischen Kirche angestellt war. 
Die nächste Umgegend von Stettin bietet viel Schönes. So sind die 
Höhen von Podestich und Finkenwalde, am Ostrande des Durchbruchsthales der 
Oder gelegen, wegen ihrer Anmut berühmt. Hier wird das Auge einmal durch 
den Ausblick auf die große Oderniederung und die Stadt Stettin gefesselt und 
dann von dem herrlichsten Buchenwalde, dessen Stämme in schlankem Wüchse
	        
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