Object: [Teil 1, Abteilung 1 = (Für Sexta), [Schülerband]] (Teil 1, Abteilung 1 = (Für Sexta), [Schülerband])

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A. Erzählende Prosa. V. Geschichtliche Charakterzüge. 
V. Geschichtliche MaraKterzüge. 
57. Aus dem Leben Alexanders des Großen. (Von 356 bis 323 v. Chr.) 
Von Gustav Pfizer. Geschichte Alexanders des Großen. Stuttgart, 1846. 
a. Das Pferd Bucephalus (Stierkopf). (Um 340 v. Chr.) 
Ein Thessalier, Philonikus, brachte dieses Pferd zu dem Könige 
Philippus von Macédonien und bot es ihm für die große Summe von 
dreizehn Talenten an. Man begab sich aufs freie Feld, um es zu probieren, 
fand es aber wild und ganz unbrauchbar, weil es niemand aufsitzen 
ließ und sich gegen jeden bäumte, der ihm nahekam. Schon befahl 
Philippus, darüber unmutig, das scheue und unbrauchbare Pferd wieder 
wegzuführen, als der junge Alexander sagte: „Um welch treffliches 
Pferd bringt man sich da, bloß weil man es aus Mangel an Mut 
und Geschicklichkeit nicht zu behandeln weiß". Als er so zu wieder¬ 
holten Malen sein Bedauern über den Verlust des Pferdes laut wer¬ 
den ließ, fragte ihn Philippus, ob er, der älteren Männern Vorwürfe 
mache, besser mit einem Pferde umzugehen wüßte als sie. „Mit diesem 
wenigstens," versetzte Alexander, „getraue ich mir besser umgehen zu 
können als ein anderer". Philippus erwiderte: „Wenn du es aber 
nicht kannst, welcher Strafe willst du dich für deine vorlaute Keckheit 
unterwerfen?" — „ Beim Zeus, ich will den Preis des Pferdes bezahlen." 
Darüber entstand ein großes Gelächter, und nachdem sie wegen der 
Summe einig geworden, ging Alexander auf das Pferd zu, faßte es 
beim Zügel und kehrte es gegen die Sonne, vermutlich weil er bemerkt 
hatte, daß es vor dem neben ihm niederfallenden, hin und her schwanken¬ 
den Schatten scheute. So lief er eine Weile neben dem Pferde her 
und streichelte es, so lange er es noch vor Zorn und Ungestüm schnauben 
sah; dann aber ließ er sachte feinen Mantel fallen, schwang sich rasch 
und behende hinauf und fetzte sich im Sattel fest. Anfangs faßte er 
den Zügel ganz kurz und hielt das Pferd, ohne es zu schlagen und zu 
spornen, zurück; wie er aber merkte, daß es fein wildes Wesen ablegte 
und nur begierig war zu laufen, sprengte er mit verhängtem Zügel 
davon und trieb es jetzt mit Zuruf und mit den Fersen zum Laufen 
an. Philippus und feine Begleiter waren zuerst in großer Angst und 
stumm; aber als er umlenkte und voll stolzer Freude zurückkehrte, erhoben 
alle ein Freudengeschrei, und sein Vater fing vor Freuden an zu weinen, 
küßte ihn beim Absteigen und sagte: „Mein Sohn, suche dir ein an¬ 
deres Reich, das deiner würdig ist; Macédonien ist für dich zu klein!" 
So hat Alexander das Pferd, auf welchem er Asien eroberte, sich selbst 
erobert, während kein anderer es bündigen konnte. Es ließ sich nie 
von einem anderen Menschen als von Alexander besteigen, und als es 
etwa im dreißigsten Jahre infolge der Strapazen und des Alters am 
Hydaspes in Indien gestorben war, gründete er dort zum Andenken an 
das treue Tier die Stadt Bucephala.
	        
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