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§ 30. Der Anfang der Königsherrschaft.
1. Die Sage knüpft den Ursprung Roms an die Zerstörung von
Troja. Danach landete der flüchtige Trojaner Äeneas mit seiner
Familie und seinen Genossen in Latium und gründete hier Lavininm.
Sein Sohu Ascanius erbaute daraus Alba longa in gesunder Lage,
das als Haupt des latinischen Städtebundes von den Nachkommen des
Aeneas beherrscht wurde. Als Numitor König wurde, entthronte
ihn sein jüngerer Bruder Amulius und machte die Tochter des
Vertriebenen, Rhea Silvia, zur Vestalin. Diese gebar vom Mars
die Zwillinge Romulus uud Nemus. Die Knaben wurden in der
Tiber ausgesetzt, aber gerettet, von einer Wölfin des Mars gesäugt,
von dem Hirten Faustulus und seinem Weibe Acca Larentia aufgezo-
gen. Als die Zwillinge erwachsen waren und ihre Herkunft erfahren
hatten, tödteten sie den Amulius und setzten ihren Großvater wieder
in die Herrschaft ein. Darauf gründeten Romulus und Remus an
dem palatinischen Hügel, wo einst die Mulde mit den Ausgesetzten
glücklich gelandet war, die Stadt Rom. Nachdem Remus von seinem
Bruder im Streit erschlagen worden, war Romulus Alleinherrscher..—
Die Gründung wurde in das Jahr 753 v. Chr. gesetzt.
Die Volkssage berichtet weiter, daß Romulus, der die Stadt zu
einem Asyl sür Landesflüchtige machte, diesen die inangelnden Weiber
durch den Raub der Sabinerinnen gewonnen habe, wodurch ein
Rachekrieg entstanden sei, der nach der Besiegung der Sabiner mit
einem Vertrage geendigt habe. Römer und Sabiner wären ein Volk
geworden, populiis Romanus Quiritium (die Sabiner hießen Quinten
nach ihrer Stadt Cures), unter der gemeinschaftlichen Regierung des
Romulus und des Titus Tatius. Dieser sei bald durch Mord
umgekommen, Romulus habe aber noch lange tapfer gekämpft nnd
mit der Einsetzung des Senates die Grundlage der römischen Ver-
sassnng gegeben. Endlich hätte ihn Mars von der Erde genommen
und zu deu Himmlischen gehoben, unter denen er als Gott Qnirinns
verehrt wurde.
So die Gründungssage. Als Thatsache tritt uns entgegen, daß die
älteste Anstellung auf dem palatinischen Hügel stattfand, wo das
Heiligthum der Wölfe (lupercal) lag und der heilige Feigenbaum
(ficus Rurninalis) stand. Sie dehnte sich weiter über den cälischen
Hügel und über das Thal Subura nach dem Es qnirinns aus. Eine