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aufsichtigung der Beschäftigung und Lebensweise der Gefangenen; sie wird
in Festungen oder in andern dazu bestimmten Räumen vollzogen.
Die Strafe der Haft besteht in einfacher Freiheitsentziehung.
Die Ehrenstrafen bestehen in der Aberkennung der bürgerlichen Ehren¬
rechte. — Neben einer Freiheitsstrafe kann in bestimmten Fällen auf die
Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden.
Die Zuchthaus- und Gefängnisstrafen können in Einzelhaft vollzogen
werden, doch darf die Einzelhaft ohne Zustimmung des Gefangenen die
Dauer von 3 Jahren nicht übersteigen. Die zu einer längeren Zuchthaus¬
oder Gefängnisstrafe Verurteilten können, wenn sie 3U der ihnen auf¬
erlegten Strafe, mindestens aber 1 Jahr, verbüßt, sich auch während dieser
Zeit gut geführt haben, mit ihrer Zustimmung vorläufig entlassen werden.
Betrag der Strafen: Zuchthausstrafe, entweder eine lebensläng¬
liche oder eine zeitliche: 1—15 Jahre — Gefängnisstrafe, 1 Tag bis
5 Jahre — Festungshaft, entweder eine lebenslängliche oder eine zeitliche:
1 Tag bis 15 Jahre — Haft, 1 Tag bis 6 Wochen. Geldstrafe:
Mindestbetrag bei Verbrechen und Vergehen 3 Mk., bei Übertretungen
1 Mk.
Strafausschluß und -Milderung. Eine strafbare Handlung
ist nicht vorhanden, wenn die Handlung durch Notwehr geboten war. Die
Überschreitung der Notwehr ist nicht strafbar, wenn der Täter in Be¬
stürzung, Furcht oder Schrecken über die Grenzen der Verteidigung hinaus¬
gegangen ist. — Eine strafbare Handlung ist ferner nicht vorhanden, wenn
der Täter zur Zeit der Begehung der Handlung sich in einem Zustande
von Bewußtlosigkeit oder krankhafter Störung der Geistestätigkeit befand,
durch welchen seine freie Willensbestimmung ausgeschlossen war. — Ein
Angeschuldigter, welcher zu einer Zeit, als er das 12., aber nicht das
18. Lebensjahr vollendet hatte, eine strafbare Handlung begangen hat, ist
freizusprechen, wenn er bei Begehung derselben die zur Erkenntnis ihrer
Strafbarkeit erforderliche Einsicht nicht besaß. In dem Urteile ist zu be¬
stimmen, ob der Angeschuldigte seiner Familie überwiesen oder in eine
Erziehungs- oder Besserungsanstalt gebracht werden soll. In der Anstalt
ist er so lange zu behalten, wie die der Anstalt vorgesetzte Verwaltungs¬
behörde solches für erforderlich erachtet, jedoch nicht über das vollendete
20. Lebensjahr hinaus.
Die Strafverfolgung von Verbrechen sowie die Vollstreckung rechts¬
kräftig erkannter Strafen kann verjähren.
Bedingter Strafaufschub. Von dem bedingten Strafaufschub,
der seit 1895 bei nahezu allen deutschen Bundesstaaten Eingang gefunden
hat, soll vorzugsweise zugunsten jugendlicher Verurteilter unter 18 Jahren
und nicht Vorbestrafter Gebrauch gemacht werden. Bis zum 31. Dezember
1908 ist in 165 680 Fällen der bedingte Strafaufschub, den man mit Rück¬
sicht auf seinen Zweck auch vielfach als „bedingte Begnadigung" bezeichnet.