Schlachten bei Malplaquet und Oudei^arde und ähnliche Ereignisse nicht
mehr einprägen? Ich weiß es, wie schwer es einem gewissenhaften
Lehrer fällt, das seine Schüler nicht mehr zu lehren, was er selbst als
Schüler lernte; wenn nötig, müssen wir aber diesen verzicht leisten.
Man hat gesagt, erziehlich wichtiger und fruchtbringender seien die
Wege des Werdens als das Gewordene selbst. Ich denke sie gehören
notwendig zusammen, das werden wie das Gewordene; sind ja auch
sprachlich beides Formen desselben Verbums. Wie und wann übrigens
ein kjaus gebaut wurde, ist gewiß interessant zu wissen, wichtiger aber
ist, wie es sich bewohnt, wenigstens für einen, der es beziehen will.
Außer der Geschichte möchte ich für die Bürgerkunde noch ein
anderes Fach heranziehen: Deutsche Sprache. Vom fremdsprachlichen
Unterricht wird verlangt, daß er den Schüler auch bekannt mache mit
den Sitten und Einrichtungen des freinden Volkstums; man übertrage
diese Forderung auf unsern deutschen Unterricht und unsere deutschen
Staatseinrichtungen, und wir haben die Bürgerkunde. Die Lehrpläne
verlangen vom deutschen Unterricht Einführung in das deutsche Schrift¬
tum. Gehören unsere nationalen Gesetze nicht auch zum Schrifttum?
Wir haben den Begriff Schrifttum etwas gar einseitig beschränkt
auf schöne Literatur. Geschichtlich zu erklären! Zur Zeit Schillers,
Goethes und der Romantiker hatten wir ein zerrissenes, gedemütigtes
Vaterland, wir flüchteten in die Literatur; ihr Glanz half über das hin¬
weg, was sonst uns drückte, lheute haben wir ein Vaterland, und es
verlangt praktische Mitarbeit an seiner Entwicklung.
Unsre deutschen Lesebücher tragen dem zum Teil schon Rechnung;
sie könnten es in noch erhöhtem Grade tun, und mehr bürgerkundliche
Lesestücke bringen; bis jetzt konzentrierten sich die nationalen Darstellungen
naturgemäß auf Fürsten und Heerführer.
Neben dem Lesesuch bietet einen passenden Fußpunkt für die
Bürgerkunde der Aufsatz. Gegenwärtig herrscht an unsern Schulen
noch ausschließlich der literarische Aufsatz; die Bedenken, die dagegen
sprechen, sind bekannt, und eine Gegenströmung hat eingesetzt, Aber
woher die Themata nehmen?
In die Lücke tritt die Bürgerkunde. Schon vor einem guten
Jahrzehnt ließ ich bürgerkundliche Aufsätze schreiben; bei der letzten
Neichstagswahl hatten in Mainz an drei verschiedenen Anstalten unab¬
hängig von einander Oberlehrer über Reichstagswahl und Reichstags¬
wahlrecht schreiben lassen, und das Thema des j?rüfungsaufsatzes in