Full text: Wege zum Staatsgedanken

43 
Die Fächer. 
An einzelnen Stellen schiebt sich schon die Betonung des Rechts der 
Einzelstaaten auf Berücksichtigung ihrer Eigenart dazwischen. Im 
6. Schuljahr wird das fortgesetzt. Das 7. Schuljahr fügt dem 
Grundsätze der Autorität den der Freiheit, der Berechtigung des 
Volkswillens bei. Leitgedanken der Geschichte sowohl als der Staats- 
kunde ziehen sich durch lange Abschnitte hindurch, kehren immer wieder, 
scheinbar ganz von selbst; sie müssen zuletzt ganz in des Kindes 
Bewußtsein übergehen, müssen seinen Gedankenkreis, die Gewohn¬ 
heit des Denkens, des Fühlens beeinflussen, und damit werden sie 
hoffentlich einmal auch sein Sandeln bestimmen. Es sind ihrer so 
wenige, daß nicht einer den andern stört. 
Von diesem Punkte aus erhält dann die „Bürgerkunde" noch¬ 
mals eine schärfere Beleuchtung. Richt nur, daß ihr Stoff unter 
leitende Gedanken gebracht ist, welche die verstreuten Kenntnisse unter¬ 
einander verbinden; bei jedem einzelnen Thema der Staatskunde sind 
auch die Gedanken, die zum Staate hinführen, die Hauptsache, das 
eigentliche Wissensmaterial bleibt Nebensache. Im Beispiel: Nicht 
möglichst eingehende Kenntnis des Reichstagswahlrechts zu geben, 
war Absicht. Diese Kenntnis ist ja gewiß auch notwendig. Viel 
wichtiger aber war, den Gedankengang im Geschichtsunterricht so zu 
führen, daß das Kind den mangelnden Anteil weiter Volkskreise im 
alten Reich mit Bedauern ansehen, verschiedene Male feststellen 
mußte, um endlich bei der Geschichte der Reichsgründung zu er¬ 
fahren: Jetzt ist jedes Mißverhältnis beseitigt, alle haben Anteil am 
Reich. 
Als etwas Langgewünschtes, Langersehntes soll 
die einzelne Staatseinrichtung erscheinen. Dann erst lebt 
das Kind durch, was diese Einrichtung einst unsern Vorfahren an 
Gefühlswert bedeutet hat, wenn gewissermaßen auch in ihm die 
Spannungen erzeugt werden, die unser Volk durchleben mußte, um 
zu dieser Einrichtung zu gelangen. 
Weil also die Bürgerkunde weniger als Wissensstoff gedacht ist, 
kann es auch vorkommen, daß dasselbe Stoffgebiet an verschiedenen 
Stellen des geschichtlichen Ganges auftritt, meist durch andere Ge¬ 
dankengänge gerufen. Die Bürgerkunde in der Volksschule will ja 
nicht im landläufigen Sinne „wiederholt", eingeprägt sein. Das er¬ 
gibt sich von selbst. Die Fortbildungsschule erst kann die Staats¬ 
kunde als Wissen behandeln. Wenigstens hat sie es dann nicht mit 
trockenen Tatsachen zu tun, sondern mit etwas, das Blut, Saft und 
Lebensatem besitzt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.