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machte sich im Jahre 961 zum zweitenmal nach Italien auf, um dem
Treiben des unruhigen Berengar ein Ende zu bereiten und die Kaiser-
962 kröne zu gewinnen. Im Anfange des Jahres 962 hielt Otto seinen Einzug
in Rom und ließ sich am 2. Februar vom Papste zum Kaiser
krönen. Er bestätigte den Papst in dem Besitz, den die Kirche durch die
Karolinger erhalten hatte, und als in Rom ein Aufstand gegen die Deutschen
ausbrach und auch der Papst von ihm abfiel, setzte er diesen ab und ließ
einen neuen Papst wählen. Die Römer mußten schwören, nie einen
Papst ohne seine Zustimmung zu wählen. Berenger geriet in des
Kaisers Gewalt; er wurde nach Deutschland in Haft gebracht und starb
einige Jahre nachher. Das neue Kaisertum Ottos gründete sich auf
die Herrschaft über die Kirche.
Welche Bedeutung hat die Erwerbung der römischen Kaiserwürde für den deutschen
König und für Deutschland? 1. Sie war die höchste weltliche Würde der abendländischen
Christenheit. Der römische Kaiser galt als Lehnsherr der übrigen abendländischen Fürsten;
er war ihr Richter in Streitfällen; die Erhaltung des Weltfriedens war feine
oberste Aufgabe. 2. Er galt zugleich als Schirmherr und Pfleger der römischen
Kirche; er hatte sie gegen äußere und innere Feinde zu schützen und für ihre stete Aus-
breitung (durch Förderung der Mission) zu sorgen. 3. Infolgedessen war Deutschland
der führende Staat in Europa. Es übte vermöge seiner eigenen Macht und auf Grund
der Kaiserwürde die Vorherrschaft in Europa aus.
Man nannte das Reich später „Heiliges römisches Reich deutscher Nation":
römisches, weil man es als eine Fortsetzung des römischen Weltreichs ansah; heiliges
wegen seiner engen Verbindung mit der römischen Kirche; deutscher Nation, weil
der König der Deutschen Herr dieses Reiches war. — In den ersten Jahrhunderten
erhielt der König den Kaisertitel erst, wenn er in Rom gekrönt worden war; später
verstand es sich von selbst, das der deutsche König zugleich römischer Kaiser war.
5. Ottos Kolonisation im Osten. Die von seinem Vater begonnene
Unterwerfung der Slawen setzte Otto in größerem Maßstabe fort.1) Er
bezwang sie durch zwei gewaltige Kriegsmänner, die er zu Grenzfeldherrn
und Grenzwächtern bestellt hatte: das waren der Sachfenherzog Hermann
Billung an der Nord- und Ostsee, von der Elbmündung bis zur Peene,
und der Markgras Gero im Osten zwischen Elbe und Oder. Dieser war
der Schrecken der Feinde und scheute keine finstere That, um die „wendischen
Hunde" zu knechten. So ließ er einst eine Anzahl wendischer Fürsten,
die als seine geladenen Gäste an seiner reichbesetzten Tafel sich einen
schweren Rausch getrunken hatten, niedermachen. Verschiedene Aufstände
der Wenden, die tapfer für ihre Unabhängigkeit kämpften, wurden durch
kühne Züge in das Innere ihres Landes niedergeworfen. Allmählich er-
x) Widukind, Kaiser Ottos I. Slawenkrieg.