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Als die Hunnen, die ausgeschickt waren, um zu erspähen, wie 
es mit den Burgnnden stünde, zurückkamen und dem Könige die 
Nachricht brachten, daß eine große Zahl der Helden noch lebe, 
mochte es Kriemhild nicht glauben, als sie aber selbst sich von der 
Wahrheit der Nachricht überzeugt hatte, da begann sie wieder, die 
Hunnen zu neuem Kampfe zu ermutigen. Der Kampf und das 
fürchterliche Morden begannen von neuem, aber wiederum mit dem¬ 
selben Erfolge, wie all die vorhergehenden Kämpfe. Auch diesmal 
verteidigten die Burgnnden siegreich den Saal, und wiederum 
deckten Hunderte erschlagener Hunnen die Stiege. 
XXXVII. Markgraf Rüdiger, als er den Janimer und das 
Elend sah, weinte und sprach: „Wehe, daß ich so großen Jammer 
erleben muß und der Not doch nicht zu wehren im stände bin. 
Wie gerne möchte ich Frieden schaffen; doch mag der König nichts 
davon hören, wie riesengroß auch das Leid über ihn hereinbricht." 
In seinem Kummer dachte er an den edeln Dietrich, und zu ihm 
sandte er, ob er nicht im stände sei, den König Etzel zum Frieden 
zu bewegen. Dietrich aber ließ ihm sagen: „Da ist keiner, der 
das Unheil hindern könnte. König Etzel will durchaus nichts von 
Sühne wissen." 
Als Rüdiger weinend und in sich gekehrt dastand, sprach einer 
der Hunnenrecken zu der Königin Kriemhild: „Nun seht doch, wie 
er dasteht, der der mächtigste unter König Etzels Mannen ist und 
dem viele Lande und Leute dienen, die ihm der König gegeben 
hat. Er hat noch keinen Schlag in diesem Kampfe gethan. Mich 
dünkt, es kümmere ihn wenig, wie es uns hier ergeht, wenn er 
nur von der Not nicht zu leiden hat. Man hat immer von ihm 
gerühmt, daß er kühner sei, als irgend ein anderer Held; das hat 
er aber in diesen schlimmen Tagen nicht bewiesen." Mit traurigem 
Mute hörte der getreue Rüdiger diese harte Rede. Kriemhild 
aber trat zu ihm und sprach: „Nun mahne ich euch der Treue, 
die ihr mir in meine Hand geschworen habt, als ihr mich beredetet, 
euch zu dem Könige Etzel zu folgen; nun mahne ich euch eures 
Versprechens, daß ihr treu bis in den Tod mir dienen wolltet, 
denn noch nie habe ich eurer Hilfe mehr bedurft, als heute." — 
„Wohl", erwiderte ihr Rüdiger, „habe ich versprochen, Ehre und 
Leben für euch zu wagen; allein die Seele zu verlieren, das habe 
ich nicht geschworen. Ich habe die edeln Fürsten vom Rheine zu 
diesem Feste hergeleitet und muß auch ihnen nun die Treue halten." 
Kriemhild jedoch fuhr fort: „Gedenke, Rüdiger, der Eide, die du 
mir geschworen hast, als du mir versprachest, all mein Leid zu 
rächen, und halte diese Eide nun." Auch Etzel begann den Mark¬ 
grafen um seine Hilfe anzuflehen.
	        
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