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dürfte niemand wagen, ihn anzugreifen." — „Nein, nein," sprach
da Hagen, „er wird nichts merken. Schweiget ihr nur stille. Ich
will es wohl heimlich anstiften, daß ihm das Weinen Brunhilds
leid werde." Der König fragte: „Wie wolltest du das machen?"
Da antwortete Hagen: „Ich will es euch hören lassen. Wir lassen
einige von unseren Leuten, die man am Hofe nicht kennt, als Boten
ins Land reiten, uns den Krieg eines auswärtigen Feindes anzu¬
kündigen. Siegfried wird mit in den Krieg ziehen, und dann will
ich schon eine günstige Gelegenheit zu seiner Ermordung erspähen.
Von seinem eigenen Weibe aber hoffe ich die Stelle zu erfahren, an
der er allein verwundbar ist."
Mit Unrecht gab der König dem Drängen Hägens nach. Ehe
man sich's versah, hatte die Untreue ihr Spiel gewonnen, und um
des Zankes zweier Frauen willen sollte später noch mancher gute
Held sein Leben verlieren.
XV. Am vierten Morgen nach dieser Unterredung sah man
zweiunddreißig Mannen in des Königs Hos einreiten. Da ward
dem Könige angesagt, daß sie kämen, ihm den Frieden aufzukün¬
digen. Diese Lüge brachte großes Leid über die Frauen. Auch
Siegfried ward getäuscht, und als er fragte: „Warum sind der König
und seine Mannen so traurig?" da erzählte ihm Günther die Lüge,
wie Liudeger und Liudegast ihm den Frieden aufgekündigt hätten.
Siegfried sprach darauf: „Das soll Siegfrieds Hand wohl wehren.
Ich will den beiden thun, wie ich ihnen früher gethan habe. Land
und Burgen will ich ihnen wüste legen, und mein Haupt will ich
zum Pfande geben, daß es geschieht. Bleibt ihr mit euren Recken
nur hier, ich will mit den meinigen ihnen allein entgegen reiten,
uub daran sollt ihr merken, wie gerne ich euch diene." — „Das
ist eine frohe Nachricht für mich," sprach da Günther und neigte
sich in Falschheit vor dem Helden.
Nun suchten Siegfried und die Seinen ihre Streitgewänder
und Waffen hervor, und die Fahnen wurden an die Staugen ge¬
bunden.
Hagen, in weiterer Verfolgung seiner treulosen Pläne, ging zu
Kriemhild, als ob er sich nur von ihr für die Reise verabschieden
wollte. Da sprach Kriemhild zu ihm: „Gedenket daran, lieber
Freund Hagen, daß ich euch immer gern gedient habe und euch nie
feindlich gesinnt gewesen bin und vergeltet nicht an meinem lieben
Manne, was ich Brunhilden zu leide gethan habe. Schon oft
habe ich bereut, daß ich geredet habe, wodurch ich Brunhild er¬
zürnte." Hagen antwortete darauf: „Ich hoffe wohl, daß ihr nun
bald mit Brunhild ausgesöhnt sein werdet. Saget mir nur, wie
ich euch an Siegfried, eurem Manne, dienen kann, so will ich's