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Orte teilzunehmen. Das waren Greuel, die der rechtgläubige Jude
nicht ertragen durfte, wollte er anders ein rechtgläubiger Jude
bleiben.
Es kam dazu, daß die Juden sich durch den Kaiser in ihren
durch ihn genährten Hoffnungen betrogen glaubten. Unter den Statt-
Haltern Trajans hatte vornehmlich der syrische Legat Lusius Quietus
mit unmenschlicher Strenge bei den Judeuaufstäudeu gewütet. Die
Juden nannten ihn „den Würger von Inda". Diesen Lusius
Quietus hatte Hadrian bei seinem Regierungsantritte aus dem Amte
entfernt, nicht wegen der Klagen der Juden, sondern weil ihm der
maßlose Ehrgeiz des Quietus unbequem war und gefährlich dünkte.
Die Juden indes deuteten sich Hadrians Verfahren lediglich zu
ihren Gunsten als den Ausfluß eines besondern Wohlwollens des
Kaisers gegen die Juden. Jüdische Schriftsteller priesen daher
Hadrian „als den Herrscher, mit dem ein neues Zeitalter des Glücks
für Israel und Jerusalem beginnen werde". Es ging unter den
Juden sogar das Gerücht um, daß Hadrian den Juden den Wieder-
aufbau des Tempels und der Stadt versprochen habe. Dieses
Gerücht fand Glauben, weil es den Volkshoffnungen schmeichelte.
Um so betäubender traf jetzt der Rückschlag; um so wilder
wandte sich die Wut gegen den Kaiser, den wortbrüchigen Heiligtums-
schänder; um so jäher entbrannte der Aufstand zur Abwehr solch
unerhörter Frevel. Die Römer wurden durch diesen Aufstand
überrascht, nicht sowohl durch die Thatsache desselben, als vielmehr
durch den Umfang und die Gewalt desselben von Anfang an. Von
überall, wo Juden seßhaft geworden, strömten Waffentüchtige, flössen
Gelder nach Palästina. Die Glut dieses Aufstandes fand in der
weiteren Entwicklung desselben neue Nahrung, als Hadrian nach
Verlauf von etwa 2 Jahren durch kaiserliche Verordnung die Be-
schneidung verbot.
Auch dieses Gesetz war nach Absicht des Gesetzgebers nicht
gegen die Juden als solche gerichtet. Eine durch die heidnischen
Religionen des Morgenlandes vielfach gut geheißene und selbst ge¬
botene Selbstverstümmlung anderer Art sollte verhindert werden.
Diese Selbstverstümmlung wurde nach dem Vorgange anderer
Kaiser von Hadrian unter das Mordgesetz gestellt. Diese Art der
Selbstverstümmlung war den Juden fremd. Von den Römern aber
wurde die Beschneidung der Juden als zu dieser Selbstverstümmlung
gehörig angesehen. Das Verbot der Beschneiduug mußte aber von
den Juden als Angriff auf Dasein und Bestand ihrer Religions-
gemeinschaft gedeutet werden. So mußte es ihren Haß gegen Rom
steigern und ihre Kraft im Kampfe gegen Rom mehren.