Full text: Deutsches Lesebuch für Bürgerschulen (Teil 3 = 6., 7. u. 8. Schulj., [Schülerbd.])

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Feinde. Die Amtmännin schritt dazwischen herum und klaubte 
die eine und die andere Tasse auf, die, zwischen die Aktenbündel 
aus der Registratur gefallen, ganz geblieben war. Ihre beiden 
Knaben lockten die Hühner zusammen, die sich hinter die Holz¬ 
stöße und auf die Dächer und Bäume geflüchtet hatten. Die 
Hausmagd räumte mit einer Mistgabel die Hemden, Schuhe usw. 
hinaus, welche die Gallier gegen die Kleidungsstücke des Amt¬ 
manns vertauscht hatten. Mit einem Worte, durch das ganze 
Amthaus war in Pflicht und Liebe alles tätig, wie Termiten in 
ihrem Instinkt, wenn ein vorüberrennender Büffel seine Hörner 
an ihrem Hügel versucht hat. Die guten Leute wären auch 
unter dem Greuel der Verwüstung noch weit gekommen, wenn 
sie der Feind in Ruhe gelassen hätte. 
Dazwischen kamen einige ungarische Husaren in den Hof 
gesprengt und verlangten Wein. Da sie aber der Amtmann ver¬ 
sicherte, daß ihm die Franzosen nach zweimaliger Plünderung 
keinen andern Tropfen ungetrunken oder unverschüttet gelassen 
hätten als den Siebzehnhundertsechsundneunziger, der aus der 
Brunnenröhre hinter ihm laufe, warfen sie ihre leichten Rosse 
wieder herum und ritten weiter. Auch die zwei Knechte des 
Amtmanns gingen nun in den Wald hinaus, um die dort ver¬ 
steckten Pferde wieder heimzuholen, weil man im Amthaus der 
einstimmigen Meinung war, es würden keine Feinde mehr nach¬ 
kommen, nachdem sich einmal Freunde gezeigt hätten. Kaum 
aber waren sie weg, so kamen die alten Gäste, nämlich Franzosen, 
zum Hoftor herein. Das Hühnervolk flog vor der wirbelnden 
Trommel wieder auf die Bäume und Dächer, die Amtmännin 
flüchtete sich mit ihren Knaben hinter einen ganz gebliebenen 
Jalousieladen im zweiten Stock des Hauses; nur der Amtmann 
blieb mit einem Aktenbündel unter dem Arme ruhig stehen. 
Diese Rotte hielt sich nicht wie ihre Vorgänger bei Kleinig¬ 
keiten auf, sondern verlangte den Schlüssel zum Kassengewölbe. 
Der stecke, erwiderte der Amtmann, an der Tür, die Kasse aber 
sei seit längerer Zeit auf dem Marienberg in Würzburg. Der 
französische Offizier verstand den deutschen Mann und beschloß 
nun, auf keinen Fall leer wegzugehen, sondern entweder Geld 
oder ein Menschenleben mitzunehmen. 
Doch zu dem letztem bedurfte es wenigstens einer Form. 
Zwei Gemeine traten zu dem Amtmann, einer zur Rechten und 
einer zur Linken, und ihr Leutnant setzte sich vor ihn hin, den
	        
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