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verwundet wurden, so ließen sich doch die Kanoniere in ihrer kalt—
blütigen Ruhe nicht stören. Als es hell wurde, erwies es sich, daß
der „Iltis“, dessen Deckaufbauten weithin leuchteten, den Chinesen in
erster Linie als Zielscheibe diente. Bald setzte ein Treffer die Maschinen—
kanonen auf der Kommandobrücke und deren Bedienung außer Gefecht.
Ein Offizier, der Oberleutnant Hellmann, und zwei Matrosen waren
tot, zwei andere schwer verwundet. Den ersten Treffern folgten weitere;
sie durchsiebten die Aufbauten und namentlich den vorderen Schornstein,
und eine ganze Reihe verwundeter Matrosen mußte von ihren Posten
an den Geschützen weichen. Kurz vor 6 Uhr morgens zerschmetterte
eine Granate dem Kommandanten den Unterschenkel des linken Beines.
Auf dem anderen Fuße stehend versuchte Kapitän Lans, das Kommando
weiterzuführen; doch der nächste Schuß zerstörte die Kommandobrücke,
und mit ihren Trümmern stürzte der schwer verwundete Offizier auf
das Deck herab. Der „Iltis“ wich auch jetzt nicht von seinem Posten.
Auf sein Signal gingen die ausgeschifften Landungskorps der auf der
Reede liegenden größeren Schiffe zum Sturmangriff auf die Forts vor,
und nachdem noch ein Schuß aus einem Geschütz des „Iltis“ das
Pulvermagazin auf einem der chinesischen Forts zur Explosion gebracht,
war der Widerstand der Gegner gebrochen. Bald darauf flatterten die
Flaggen der europäischen Nationen an Stelle des Drachenbanners über
den Wällen.
3. Auf dem „Iltis“ hatte, wie der amtliche Bericht bescheiden
meldet, „jedermann seine Schuldigkeit gethan“. Das deutsche Volk
beurteilt den Heldenmut seiner Matrosen anders und höher. Mit
freudigem Stolz blickt es auf diese rühmliche Waffentat; denn sie ist
ihm eine Gewähr, daß der alte Soldatengeist in unserer Flotte zu
Hause ist wie in unserem Heer, und daß es sich auf beide, in Wahrheit
also auf sich selbst, verlassen kann, wenn eine schwerere Stunde eine
größere Prüfung über das deutsche Vaterland bringen sollte.
P. Koch.
7a. Rede des Raisers in Pamburg am 18. Oktober 1899.
(Stapellauf des Linienschiffes „Naiser Karl der Große“.)
„Es gereicht Mir zur besondern Freude, an dem heutigen histo—
rischen Gedenktage wieder in Ihrer Mitte weilen zu können. Ich
fühle Mich gleichsam erfrischt und neu gestärkt, so oft Ich von den
Wogen des frisch sprudelnden Lebens einer Hansastadt umspült werde.
Es ist ein feierlicher Akt, dem wir soeben beigewohnt haben, als wir
ein neues Stück schwimmender Wehrkraft des Vaterlandes seinem Ele—
ment übergeben konnten. Ein jeder, der ihn mitgemacht, wird wohl
von dem Gedanken durchdrungen gewesen sein, daß das stolze Schiff