fullscreen: Das Altertum (Teil 3)

Zur Geschichte der Griechen. 59 
fügte, indem sie bor Kummer und Sehnsucht nach ihrem Vaterlande, 
ihren Eltern, Weibern und Kindern, die sie nie wieder zu sehen glaubten, 
nicht schlafen konnten. In solcher Stimmung brachten alle die Nachtruhe 
hin. Es befand sich aber im Heere ein gewisser Tenophon aus Athen, 
der, ohne Feldherr, Hauptmann oder Soldat zu sein, mitgezogen war, 
weil sein alter Gastfreund Pröxenos ihn aus seiner Heimat herbeigerufen 
hatte, unter dem Versprechen, er wolle ihn, wenn er käme, zu einem 
Freunde des Kyros machen, bon dem er, wie er sagte, größeren Vorteil 
für sich erwarte als bon seinem Vaterlande. 
Als nun jene Ratlosigkeit eingetreten, war auch er mit den andern 
bekümmert und konnte nicht schlafen. Da erhob er sich born. Lager, rief 
zuerst die Hauptleute des Proxeuos zusammen und hielt, als sie ber- 
sammelt waren, eine Anrede an sie. Auf seinen Rat durchschritten sie 
die Lagerreihen und riesen, wo noch ein Feldherr am Leben war, diesen, 
wo er aber fehlte, den Unterfeldherrn, und wo noch ein Hauptmann 
borhanden war, diesen herbei. Als nun alle zusammengekommen waren, 
fetzten sie sich bor der Front des Lagers nieder. Die Zahl der berfammelten 
Feldherren und Hauptleute betrug ungefähr hundert. Es war aber, 
als dies geschah, fast Mitternacht. 
Da nun sprach zuerst Hieronymos aus Elis, der älteste unter den 
Hauptleuten des Proxenos, also: „Auch uns, ihr Heerführer und Haupt¬ 
leute, kam, als wir unsere jetzige Lage betrachteten, schon bon selbst der 
Gedanke, zusammenzutreten und euch herbeizurufen, um womöglich 
eine heilsame Maßregel zu beraten. So sprich denn nun auch du, Teno- 
phon, was du uns borhin bortrugst." Hierauf sprach Xenophon: „Nun 
denn, das wissen wir alle, daß der König und Tissaphernes so biete bort 
uns, als sie konnten, gefangen genommen haben und daß sie offenbar 
auch den übrigen nachstellen, um sie womöglich zu berderben. Wir 
müssen daher, glaube ich, alles tun, um nicht in die Gewalt der Barbaren 
zu geraten, sondern bielmehr sie womöglich in unsere Gewalt zu bringen. 
Bedenkt also wohl, daß ihr, so biet eurer hier zusammengekommen sind, 
die Entscheidung in den Handen habt. Denn alle diese Soldaten blicken 
jetzt auf euch, und sehen sie euch mutlos, so werden sie alle zaghaft sein; 
wenn ihr euch aber selbst bereit zeigt, dem Feinde entgegenzutreten, 
und die übrigen dazu auffordert, so wisset, daß sie euch folgen und nach¬ 
zuahmen bersuchen werden. Jetzt nun, glaube ich, werdet ihr zuerst dem 
Heere den größten Dienst erweisen, wenn ihr dafür sorgt, daß an Stelle 
der Umgekommenen aufs schnellste andere Heerführer und Hauptleute 
eingesetzt werden. Denn ohne Anführer kann, um es kurz zu sagen, 
überhaupt nirgends, am allerwenigsten aber im Kriege, irgend etwas 
Schönes und Tüchtiges ausgeführt werden. Die Ordnung nämlich 
rettet, wie es scheint; die Unordnung aber hat schon biete 
zugrunde gerichtet. Habt ihr aber so biete Anführer als nötig ein- 
gesetzt, so, glaube ich, werdet ihr ganz zeitgemäß handeln, wenn ihr auch
	        
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