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8. die Gnindzüge über Freizügigkeit; das Heimats-, Niederlas-
sungs- und Armen wesen;
9. die Gesetzgebung über Gewerbe und Handel, einschließlich
des Versicherungswesens und Bankwesens, über Erfindungs¬
patente, Maß-, Gewichts- und Münzwesen;
10. die Herstellung der im Interesse der Landesverteidigung und
des Verkehrs erforderlichen Land- und Wasserstraßen,
Flößerei- und Schiffahrtsbetrieb auf gemeinsamen Wasser¬
straßen, Zustand der letzteren, Fluß- und sonstige Wasser¬
zölle und Seeschiffahrtszeichen, das Eisenbahnwesen;
11. das Post- und Telegraphenwesen.
In diesen Fällen geht das Reichsgesetz den Landesgesetzen un¬
bedingt vor (Art. 2 RV.). Die Landesgesetze gelten auf diesen Ge¬
bieten nur so lange, bis das Reich sie noch nicht in seine
Zuständigkeit hineingezogen hat. Dies bezieht sich nicht auf die
landesrechtlichen Ausführungsgesetze zu den Reichsgesetzen.
Sie dienen der leichteren Durchführung der Gesetze besonders
unter dem Gesichtspunkte landschaftlicher Besonderheiten und ihr
Erlaß steht den Einzelstaaten zu. Dagegen sind Einführungs¬
gesetze zu den Reichsgesetzen legislatorische Akte des Reiches
(S. 145). Der Kaiser hat das Recht, die Ausführung der Reichsgesetze
zu überwachen. Ihre Anwendung und Handhabung liegt regelmäßig
in den Händen der Bundesstaaten.
Das Gesetzgebungsrecht steht im Reiche dem Bundesrat
und dem Reichstage zu. Die Übereinstimmung beider Körperschaften
ist zum Zustandekommen eines Reichsgesetzes notwendig und aus¬
reichend. Der Kaiser hat nicht die Genehmigung, sondern die Aus¬
fertigung und die Verkündung der Reichsgesetze. Es wäre
daher denkbar, daß der Kaiser ein Reichsgesetz zu unterzeichnen und
zu verkünden hätte, welches im Bundesrat gegen die preußischen
Stimmen angenommen worden ist. Die Reichsgesetze werden im
Reichsgesetzblatt verkündet. Sie treten in der Regel, wenn das
Gesetz nicht anders bestimmt, mit dem 14ten Tage nach Ausgabe des
betreffenden Stückes des Reichsgesetzblattes in Kraft; gleichgültig,
ob dieses dem einzelnen bekannt geworden ist oder nicht. Ihre
Geltung ist bis zu ihrer Abänderung eine dauernde.
Die kurze Angabe der Aufgaben des Reiches, wie sie bei dessen
Gründung formuliert worden ist (S. 10), in Verbindung mit dem
Art. 4 der Reichsverfassung (S. 21) zeigt, welche inneren'
und äußeren Angelegenheiten der Zuständigkeit des Rei¬
ches unterfallen. Das durch die Einigung geschaffene einheitliche
Wirtschaftsgebiet und die moderne gewerbliche Entwicklung erfordern
freie Bewegung der Bevölkerung und tunlichste Einheitlichkeit