Die Entwicklung des Reichsfinanzwesens.
173
Übergangszustandes von 1892—95 mit fallender Scala zu beseitigen.
Vergebens; die angestrebte Verständigung mit den übrigen zucker¬
erzeugenden Ländern kam nicht zustande, und so mußte die Ausfuhr¬
prämie wieder, um den deutschen Zucker aus dem Weltmärkte kon¬
kurrenzfähig zu erhalten, von 1,25 Mk. auf 4 Mk. erhöht werden.
Im Anschluß an das 1898 entstandene österreichische Kartell bildete
sich 1900 ein noch mächtigeres deutsches. Seine starke Einwirkung
auf dem Weltmarktpreis des Zuckers zwang die Länder mit geringerer
Zuckererzeugung, sich über die Aufhebung der Ausfuhrprämien zu
verständigen. So lieferten die Zuckersteuer und der -Zoll 1699/00
nach Abzug von reichlich 33 Mill. Ausfuhrvergütungen noch 28 Mill.
mehr als veranschlagt war. Im wesentlichen hatte Bismarck doch,
wenn auch auf Umwegen und nur für das Bedürfnis der
nächsten Zeit, seinen Zweck erreicht: das Reich war finanziell
unabhängig geworden; die Einzelstaaten erhielten Zuschüsse vom
Reich und konnten ihr Finanzwesen in mancher Hinsicht verbessern,
besonders auch durch Ermäßigung der direkten Steuern. Für seine
Zollpolitik bedurfte Bismark aber einer Ergänzung auf dem Gebiete
des Eisenbahn-Frachttarifs.
Auf diesen hatte aber die Regierung, da die meisten Eisenbahn¬
linien in den Händen von Privatgesellschaften waren, geringen Ein¬
fluß, und so wurden durch die Differentialtarife, die für bestimmte
Güter (z. B. für ausländisches Getreide) ermäßigte Frachtsätze fest¬
setzten, der Getreideeinfuhr Vorteile zugewandt, durch welche die
Wirkung der Zölle wieder aufgehoben wurde. Bismarck faßte des¬
halb den großartigen Plan, alle deutschen Eisenbahnen für das
Reich anzukaufen, und gewann am 8. Januar 1876 zunächst das
preußische Ministerium für den Vorschlag, die preußischen Staats¬
bahnen dem Reiche zu verkaufen. Aber in kurzer Zeit erhielt er
die Gewißheit, daß die süddeutschen Staaten, gestützt auf die Stimmung
ihrer Bevölkerungen, sowie Hessen und Sachsen seinem Plane Wider¬
stand leisteten, und in Preußen selbst verschleppte der Finanzminister
Camphausen die Sache dermaßen, daß Bismark sie fallen ließ. So
scheiterte einer seiner großartigsten Pläne, der nicht nur die Ent¬
wickelung der Reichsfinanzen außerordentlich gefördert, sondern auch
durch seine Veranstaltungen der süddeutschen Bevölkerung die Macht
und Bedeutung des Reichs täglich vor Augen geführt hätte, an