Full text: Geschichtliches Lesebuch

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kräfte hinter die Loire zurückgehen, mit Ausnahme von 40 000 Mann 
in Paris und den nötigen Festungsmannschaften. 
Nachdem diese Hauptbedingungen in Versailles festgesetzt waren, 
hatte man sich noch über viele Einzelheiten zu einigen, so daß erst 
im Mai der endgültige Friede in Frankfurt am Main abgeschlossen 
werden konnte. — 
Das Hauptergebnis des deutsch-französischen Krieges war die 
Aufrichtung des deutschen Kaiserreichs. 
Mit Zustimmung der Fürsten und des Volkes nahm Wilhelm I. 
von Preußen die Würde eines deutschen Kaisers an. Am 18. Januar 
erfolgte die feierliche Übernahme, an demselben Tage, an welchem 
einst ein Kurfürst von Brandenburg sich die Königskrone aufs Haupt 
gesetzt. Die Feier fand im Versailler Schlosse statt, da, wo seit den 
Tagen Richelieus so viele Pläne zur Erniedrigung Deutschlands 
geschmiedet worden und wo so viele Bilder an die Schmach und 
Zerrissenheit Deutschlands erinnerten. Den Eingang der Feier bildete 
eine Predigt über den Text Psalm 21: ,,Du überschüttest ihn mit 
Segen und setzest eine goldene Krone auf sein Haupt. Groß ist sein 
Ruhm durch deine Hilfe; Würd’ und Hoheit legest du auf ihn. Du 
machest ihn zum Segen für und für; denn der König vertrauet auf 
den Herrn. Sie gedachten dir Übles zu tun und machten Anschläge; 
aber sie konnten sie nicht ausführen.“ Darauf trat der 74jährige 
König vor, verkündete mit bewegter Stimme, daß er die ihm an¬ 
gebotene Kaiserwürde übernehme, und befahl dem Kanzler, den Erlaß 
an das deutsche Volk zu verlesen. 
Derselbe lautet wie folgt: ,,Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden 
König von Preußen, verkünden hiermit: Nachdem die deutschen Fürsten 
und freien Städte den einmütigen Ruf an uns gerichtet haben, mit 
Herstellung des Deutschen Reiches die seit mehr denn 60 Jahren 
ruhende deutsche Kaiserwürde zu erneuern und zu übernehmen, und 
nachdem in der Verfassung des Deutschen Bundes die entsprechenden 
Bestimmungen vorgesehen sind, bekunden wir hiermit, daß wir es als 
Pflicht gegen das gemeinsame Vaterland betrachtet haben, diesem Rufe 
der verbündeten deutschen Fürsten und freien Städte Folge zu leisten 
und die deutsche Kaiserwürde anzunehmen. Demgemäß werden wir und 
unsere Nachfolger an der Krone Preußen fortan den kaiserlichen Titel 
in unseren Beziehungen und Angelegenheiten des Deutschen Reiches 
führen und hoffen zu Gott, daß es der deutschen Nation gegeben sein 
werde, unter dem Wahrzeichen ihrer alten Herrlichkeit das Vaterland 
einer segensreichen Zukunft entgegenzuführen. Wir übernehmen die 
kaiserliche Würde in dem Bewußtsein der Pflicht, in deutscher Treue die 
Rechte des Reiches und seiner Glieder zu schützen, den Frieden zu 
wahren, die Unabhängigkeit Deutschlands, gestützt auf die geeinte 
Kraft seines Volkes, zu verteidigen. Wir nehmen sie an in der 
Hoffnung, daß es dem deutschen Volke vergönnt sein wird, den Lohn 
seiner heißen und opfermiitigen Kämpfe in dauerndem Frieden und 
innerhalb der Grenzen zu genießen, welche dem Vaterlande die seit 
Jahrhunderten entbehrte Sicherung gegen erneute Angriffe Frankreichs
	        
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