Full text: Land und Stadt (Teil 3)

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Ich hatte Gelegenheit, einen Bekannten, der früher längere Zeit an 
der Saar gewohnt, erzählen zu hören, wie er die Stengel einer Kartoffel 
bis 3]/2 m Höhe gebracht und dabei einen ganz ungewöhnlichen Ernte¬ 
ertrag erzielt habe. Da mich dies in hohem Grade interessierte, so bat 
ich ihn, mir das dabei beobachtete Verfahren mitzuteilen. Er schrieb 
mir: „Um mich zu überzeugen, wie hoch eine Kartoffelstaude zu ziehen 
sei, pflanzte ich eine gemeine weiße späte Kartoffel von mittlerer Größe 
an den Giebel meines Hauses, und zwar in ganz gewöhnlicher Weise 
und in gewöhnlicher Düngung. Sobald die Staude eine Höhe von 
ungefähr 30 cm erreicht hatte, begoß ich sie jeden Tag, setzte mehrere 
hohe Bohnenstangen um sie herum, band die Pflanze, sobald sie wieder 
15 cm gewachsen war, an die Stangen und fuhr mit Gießen und An¬ 
binden so lange fort, bis das Wachsen seinen Höhepunkt erreicht hatte. 
Die Staude hatte eine Länge von 31/2 m und im Herbst einen Knollen¬ 
ertrag von 62 Stück schälbaren Kartoffeln, worunter 16 Stück je 
330—350 Gramm schwer waren. Die Kartoffeln wurden im Beisein 
des Herrn Landrates von Selasinsky ans Saarlouis und mehrerer an¬ 
deren Herren aus der Erde genommen und ersterer nahm Veranlassung, 
diesen Fall in öffentlichen Blättern zur Kenntnis zu bringen. Der Ort 
des Versuches war Wadgassen im Kreise Saarlouis. Die ganze Kunst 
des Hochziehens besteht also nur im Anbinden und in fleißigem Begießen." 
Im folgenden Frühjahr ermunterte ich mehrere Bekannte und einige 
meiner Schüler zu einem ähnlichen Versuche, da ich selbst aus Mangel 
an einem Grundstück ihn nicht machen konnte. Wenn nun auch keiner 
so glücklich ausfiel, wie der eben erwähnte, weil man die vorgeschriebene 
Behandlung nicht genau befolgte, so wurde dennoch teilweise ein so 
guter Ertrag erzielt, daß ich mich berechtigt halte, zu weiteren Versuchen 
dringend aufzufordern. 
Eine Frühkartoffel erreichte die Höhe von 2 ui und lieferte 25 
schälbare Kartoffeln ohne die kleineren; unter den ersteren waren mehrere 
von der Dicke einer Faust. Ganz nahe dabei wurde dieselbe Kartoffel 
in der bisher üblichen Weise gezogen; die einzelnen Stöcke ergaben 
kaum den dritten Teil des Ertrages der aufgebundenen Kartoffelstaude. 
Eine andere Staude sahen wir von 3 m Höhe; der Ertrag bestand 
aber nur in 17 Kartoffeln. Wieder eine andere Staude von über 2 ru 
Höhe lieferte 28 Kartoffeln re. 
Bei allen diesen Versuchen wurde, wie schon bemerkt, die nötige 
Behandlung mehr oder weniger vernachlässigt. Meistens wurde das 
Begießen verabsäumt, die Stande stand zwischen Häusern oder zwischen 
anderen hohen Pflanzen zu sehr im Schatten und es fehlte ihr die 
Wärme, die überhaupt in diesem Jahre nicht zu groß war. 
3. Sucht man nach einem Erkärungsgrund für das erhöhte Wachs¬ 
tum und den gesteigerten Ertrag, so ist er nur darin zu finden, daß
	        
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