sschäden der Kunstindustrie. Mißverstandene Formen. 147
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mals zog dem Schrank aus Fichtenholz ein farbiges Kleid an, das das
holz schmückt, ohne über seinen Charakter zu täuschen; die Massen—
produktion von heute aber versieht ihn mit einer lügnerischen Eichen—
maserung. Die Industrie bietet an, sie preist an und — überzeugt,
überzeugt mit dem, worin eigentlich ihre Schwäche besteht. Denn im
Grunde weiß sie ja nicht, wie sie die Dinge machen soll; sie kennt
ja die Bedürfnisse der Leute gar nicht, für die sie arbeitet. Und da
greift sie nun einfach nach den Formen, die für ganz andere Bedürf—
nisse geschaffen sind, und klebt sie den Dingen an. Seht her, sagt sie,
das ist schön, denn das hat man in der Stadt, oder: das ist das Neueste,
oder: das lieben die großen Leute, die Fürsten, die Könige! Die Leute
aber, denen ja das Gefühl für die Schönheit eigenartiger Arbeit abhan—
den gekommen, sehen nicht den Schalk, Narren oder Teufel, der hinter
der Kunstindustrie her lacht, sondern glauben an diese Industriekunst;
und viele gibt's, die dünken sich dann auch wirklich wie die großen Leute
in der Stadt. Auf diese Weise ist das Kunsthandwerk von der Kunst—
industrie verdrängt worden, nicht bloß in der Stadt, sondern in schlimm—
ster Weise auch auf dem Land. HAuf diese Weise ist aber am Ende auch
das Bauernhaus vom Stadthaus verdrängt worden! Der Städter, das
ist was Feines, dachte der Bauer und nahm für sein Eigenes ein Frem—
des, für sein Bauernhaus das Allerweltsstadthaus. Aber ging's dem
Allerweltsstadthaus denn selber besser? Wurde es, da es narrte, nicht
selbst genarrt? Was zeigte es doch für schlechte, für erborgte, für miß—
verstandene Formen! Formen waren das, die die Wissenschaft wohl
vor hundert und mehr Jahren aus Italien und Griechenland geholt
und in die Schulen und Akademien getragen hatte! Schöne Formen,
solange sie da sitzen, wo sie hingehören, an griechischen Tempeln und
Palästen, aber unwirklich, unbrauchbar und also unschön, wenn sie deut—
schen Bürger- oder gar Bauernhäusern angeklebt werden. Das deut—
sche Volk ist von Grund aus für alles Fremde aufnahmefähig. Ja,
lassen wir ihm Zeit, dann vermag es sogar fremde Formen mit eigener
Schönheit zu durchdringen, gleichsam zu verdeutschen, wie es ehedem
zur Zeit der deutschen Renaissance, des deutschen Barock und zuletzt
auch im Biedermeierstil getan hat. In seinem Eigensinn war es da
manchmal nicht unähnlich jenem Kinde, das die Schönheit einer ge—
kauften Puppe langweilig und verständnislos findet und nun diese
mit den kleinen Fingern zum formlosen Balg korrigiert, der uns Un—
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