Entwicklung des Handels zum Welthandel. 153
alter sehen wir durch die deutsche Hansa die nordischen Meere in den
handelsverkehr hineingezogen, und in Verbindung damit erblüht ein leb—
hafter Binnenhandel mit dem Süden, den oberitalienischen handels—
städten; dieser wird vermittelt durch den jetzt fast ausgestorbenen Stand
der Fuhrleute, die ihre riesigen Frachtwagen unter mancherlei Gefahren
durch die deutschen Gaue und über die Alpenpässe führen. Freilich ist
die Zahl der Güterarten wie der Gütermenge noch sehr beschränkt: nur
solche Waren, denen auf kleinem Raume ein verhältnismäßig großer
Wert zukam, vertrugen den hohen Transportzuschlag. Heutzutage haben
die billigen Massenartikel den Verkehr vervielfältigt: ein einziger
Güterzug befördert jetzt auf einmal mehr Waren durch den Gotthard—
tunnel, als ehemals in Monaten über den Gotthardpaß geschafft wurden.
Durch die Eröffnung der Seewege werden dem Welthandel neue
Bahnen erschlossen. heute sind alle Länder mit Schienenwegen über—
zogen, alle Meere von Dampfschiffen durchfurcht, die Entfernungen
schrumpfen zusammen, die Nachrichten fliegen durch den Draht über
die Erde, und diese wird zu einem einzigen großen übersichtlichen
handelsgebiete, auf dem sich die Aufgaben verteilen; für den Anbau
und die Gewinnung von Kohstoffen, wie nicht minder für die herstellung
von Industrieprodukten, kommen, neben der Eignung der Menschen die
klimatischen und geographischen Verhältnisse in Betracht: Arbeitsteilung
unter den Völkern tritt ein.
Auf der höhe dieser Umwälzung stehend, machen wir uns schwer einen
Begriff von ihrer Bedeutung. Noch vor etwa 150 Jahren wurde die
Kleidung für die europäische Bevölkerung durch Flachs- und Hhanfbau
und die heimische Schafzucht gewonnen, die jährliche Baumwolleinfuhr
betrug etwa 200000 3tr. heute verzeichnen wir einen Weltkonsum
in Baumwolle von zirka 66 Millionen Zentner im Werte von 3600
Millionen Mark.“) Noch im Jahre 1864 konnten die etwa 20 Millionen
Sschafe in Deutschland den Industriebedarf vollständig decken; jetzt be—
dürfen wir einer Einfuhr von Wolle, die dem Ertrage von 60 Mil—
lionen Schafen entspricht. Über 200 Millionen Schafe in Australien,
Neuseeland, Südamerika und Südafrika sorgen für die Deckung des Welt—
konsums. holz hatten wir früher selbst in reichlich genügender Menge,
) Die sämtlichen hiernach angegebenen Werte sind „Durchschnittswerte“ nach un—
gefähr heutigen Preisen in erster hand an den großen Seeplätzen unver—
zollt. Verzollt in den Konsum gebracht sind die Werte viel höher.