So sagen einige Leute. Aber andere Leute sagen wieder 
anders. Die sagen z. B. die Verfassung in Preußen wäre viel 
zu selbstherrlich, weil der König da ebenso viel, ja noch mehr 
zu sagen hat, als das Abgeordnetenhaus. Die Selbstherr¬ 
lichkeit, so meinen diese Leute, würde erst dann aufhören, wenn 
das Abgeordnetenhaus allein zu sagen hätte und der König weiter 
nichts zu tun brauchte, als zu unterschreiben, was das Abgeord¬ 
netenhaus beschlossen hat. 
Also das sind zwei ganz verschiedene Meinungen 
über Selb st Herrlichkeit. Welche von beiden der Zur in 
seinem Manifest gemeint hat, das kann man so ohne weiteres 
nicht wissen. Jedenfalls hat gleich den Tag darauf, nachdem 
das erste Manifest gedruckt worden war, der Zar ein zweites 
Manifest drucken lassen, und darin hat er erklärt, daß in Zu¬ 
kunft Leute, die vom Volk gewählt werden sollten, mitbecaten 
dürften, wenn neue Gesetze gemacht würden. Da meinen viele, 
das wäre genau das Gegenteil von dem, was in dem vorigen 
Manifest gestanden hätte. Man denkt sich das so, daß der Zar sich leicht 
etwas von den Leuten einreden ließe, mit denen er gerade gesprochen 
hat, und daß er erst von einigen Leuten sich das erste Manifest 
hätte emreden lassen und dann von andern Leuten das zwette. 
Ich weiß natürlich nicht, ob das wahr ist oder nicht; 
ich meine aber, der Zar ist doch ebenfalls ein vernünftiger 
Mensch, wenigstens ebenso vernünftig, wie die meisten Leute, 
die etwas für die Zeitungen schreiben. Und der Zar ist 
auch ein sehr gebildeter Mensch, er hat das meiste von dem, was 
sonst gebildete Menschen studiert haben, auch studiert; und wenn 
er irgend etwas aufschreibt oder auch nur unterschreibt, so hat 
er doch ganz gewiß auch durchgelesen und auch verstanden, was 
darin steht. Und da meine ich, wird er doch nicht am Tage darauf 
etwas unterschreiben, was grade das Gegenteil von dem ist, was 
er am Tage vorher unterschrieben hat. Oder wenn er es doch 
getan hätte, dann hätte er jedenfalls dabei geschrieben: „Das was 
ich gestern befohlen habe, das soll nicht mehr gelten, ich habe mir 
seitdem die Sache anders überlegt". Das hat der Zar nun nicht 
getan; und so muß man glauben, daß er alle beide Befehle hat 
gelten lassen wollen, daß er also nicht gemeint hat, der eine Befehl 
wäre das Gegenteil von dem andern. Dann hat er also wahrschein¬ 
lich gemeint, daß die Selbstherrlichkeit ganz gut bestehen könnte, 
wenn auch Leute, die vom Volke gewählt sind, das Recht haben, 
über alle Gesetze ihren Rat mit zu geben. 
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