Fünfter Abschnitt. 
Sprachunterricht. 
(Anschauungsunterricht.) 
Wenn wir den Bestand an sprachlicher Bildung und Fertigkeit 
unserer sechsjährigen Lernanfünger näher ansehen, so werden wir die 
Erfahrung machen, daß derselbe nach der Anlage, dem Temperament 
und der Herkunft der Kinder, ob dieselben vom Lande oder aus der 
Stadt, ans höheren oder niederen Ständen, aus sorgfältiger Mutter¬ 
erziehung oder aus gänzlicher Verwahrlosung kommen, ein sehr ver¬ 
schiedener ist. Die Kinder aus den sogenannten besseren Ständen, 
welche gewöhnlich Privatschulen besuchen, besitzen meistenteils eine 
Redefertigkeit, wovon sich die Schüler unserer Dorfschulen, die größten¬ 
teils dem Arbeiter- imb dem Bauernstande entstammen, nichts träumen 
lassen. Nicht selten bedürfen jene des Zügels, damit sie nicht den 
ruhigen Lehrer überschwätzen, während man bei diesen in den ersten 
Schultagen oft vergeblich auf das erste Wort wartet. Die fremde 
Umgebung, die vielen Zuhörer und der auch wohl nicht immer freund¬ 
liche Lehrer halten die Zunge gefesselt. Und doch ist und bleibt es 
die erste Aufgabe der Schule, die Sprachkraft der Kinder zu ent¬ 
wickeln und auszubilden und ihren Wortschatz zu vermehren. Aber 
nicht zu Blättern und tauben Blüten soll der Unterricht führen; von 
innen heraus, wo geheimnisvoll verschlossen alles Keimen beginnt, 
muß die Sprachbildung ihren Weg nehmen. Streng genommen ist 
es ja auch nicht möglich, den Kindern neue Wörter und Redeformen 
zuzuführen, ohne neue Vorstellungen und Gedanken zu erregen. Nur 
beim Abrichten von Staren und Papageien kann dieses vorkommen. 
Gebt dem Kinde nur lebensvolle Inhalte, die Herz und Verstand an¬ 
regen, in einer Form und Darstellung, die dem Kinde willkommen ist, 
in einem Geiste, wie er in der Seele des Kindes lebt, so gebt ihr 
ihm auch Sprache. „Wie ist, o Sohn, dir die Zunge gelöst, die schon
	        
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