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einiger Kirchenmelodieen. Pestalozzi behandelt nun in einigen Abschnitten
des Buches „Wie Gertrud ihre Kinder lehrt" die Erdbeschreibung, Ge¬
schichte, Naturgeschichte, Naturlehre, Meß-, Zeichen-, Schreib- und Rechen¬
kunst. In einem Abschnitte machte er den Versuch, alle Kunstmittel des
Unterrichtes aus einem allgemeinen psychologischen Ursprünge abzuleiten.
„Die Mittel der Verdeutlichung aller unserer Anschauungserkenntnisse
gehen von Zahl, Form und Sprache aus". Noch ein anderer Ab¬
schnitt hat zum Inhalte: „Die Anschauung ist das absolute Fun¬
dament aller Erkenntnis". Den Begriff „Anschauung" aber faßte
Pestalozzi, wie Mors in seinem trefflichen Buche über Pestalozzi hervor¬
hebt, nicht in dem beschränkten Sinne der Wahrnehmungen bloß durch
den Gesichtssinn auf; er verlangte vielmehr nachdrücklich auch die Be¬
thätigung der übrigen Sinne, ja er dehnte denselben auf alles unmittel¬
bar Empfundene und Erlebte aus. Das Wort Anschauung umschließt
ihm „die ganze Reihe von Gefühlen, die mit der Natur der Seele unzer¬
trennlich sind. Jede That der Liebe, Achtung und Treue, die das Kind
im Vaterhause, in seiner Umgebung erlebt, jede Handlung der Frömmig¬
keit, welche seiner Wahrnehniuug und seinem Gefühle nahe tritt, gehört
ins Gebiet dieser Anschauung, und hier namentlich leitete Pestalozzi die
große von Eltern und Erziehern nie genug zu erfassende Wahrheit, daß
alle noch so schulgerechten Begriffsbestimmungen von Tugend, Glauben,
von der Liebe nichts nützen, sondern nur zu eitler Maulbraucherei darüber
führen, wenn den Kindern nicht das Lebensbild der Tugend,
der freudige Mut des Glaubens und die Selbstaufopferung
der Liebe im Erzieher zur Anschauung kommt und als solche
wahrhaft vor die Seele tritt und ins Herz geht".
Pestalozzi dachte nun daran, die einzelnen Unterrichtsfächer auch nach
ihrer didaktischen Behandlung darzustellen. Von den Elementar¬
büchern, welche teils von ihm allein, teils unter Mitwirkung feiner Ge¬
hülfen verfaßt wurden, ist hier für unsern Zweck besonders das „Buch
für Mütter, oder: Anleitung für Mütter, ihre Kinder bemerken und
sprechen zu lehren (1803)", hervorzuheben. Über den Zweck dieses
Buches sagt Pestalozzi: „Diese Schrift sucht nichts anderes, als die Mutter
auf dem Wege, den Gottes Vorsehung zur Entwicklung der Anlagen des
Kindes selbst vorgezeichnet, zu erhalten und sie durch Befolgung desselben
in den Stand zu setzen, die Kraft des Kindes im Bemerken und
Reden auf die leichteste, einfachste und mit den B edürfnissen
der intellektuellen und sittlichen Bildung am meisten überein¬
stimmende Art in ihm zu entwickeln". Die Beobachtung der Müttter
hatte Pestalozzi darauf gebracht, als Material für den allerersten Unter¬
richt den menschlichen Körper zu wählen. Er sagt: „Man wußte den
Grundsatz immer, daß alles Wissen des Menschen von ihm selbst ausgehe
und ausgehen müsse — ich befolge ihn". Der menschliche Körper wurde
nun in zehn Übungen behandelt; diese waren I) Zeigen und Benennen
der äußeren Teile des Körpers; 2) Lage der Teile; 3) Zusammenhang
der Teile; 4) Angabe der Teile, welche am Körper einfach, doppelt u. s. w.