zusehen, sie vor den Augen des Vaters zu verstecken, geschweige daß sie
bei ihm Hilfe oder Mitleid hätte suchen können. Kam dergleichen zufällig
vor sein Angesicht, so ward neben Schmerz und Not, Mutwille und
Unvorsichtigkeit noch gebührlich gezüchtigt. Bose Fälle von Bäumen oder
Pferden, Versinken im Wasser und unter Eis, wie alltäglich waren solche
Geschichten! Ich erinnere mich, daß ich eines Tages auf dem Teiche an
der Bleiche durchs Eis einbrach und schon einmal versunken war, als
mein Bruder Karl mich beim Schopfe faßte und herauszog. Ich machte
mich nun mit den nassen, triefenden Kleidern in die Gesindestnbe, wo ich
an dem warmen Ofen meine Oberfläche leidlich abtrocknete. In diesem
Zustand mußte ich, als es dunkel geworden, in dem Gesellschaftszimmer
erscheinen. Die Männer spielten, die Frauen saßen am Teetisch, und eine
las vor, und ich Armer stand scheu und bange, irgendwie berührt oder
befühlt zu werden, an der dunkeln Ofenecke, so sehr als möglich vom
Lichte abgekehrt, und blinzelte über die Schultern der Frauen zuweilen
mit auf die Bilder des Romans; aber meine Seele zagte, und mein Leib
zahnklappte. Da erschien meine Retterin, die gute Tante Sophie, sie
fühlte zufällig meinen nassen Rock, zog mich ins Nebenzimmer, erfuhr
mein ganzes nasses Abenteuer und erbarmte sich meines Elends. Flugs
war ich ausgekleidet, mit einem warmen Hemd angetan und so ins
Bett gesteckt. Die nassen Kleider wurden getrocknet und geebnet, und den
andern Morgen erschien ich zierlich und wohlgemut wieder in der Gesell¬
schaft. Die Base aber hatte unter dem Titel von Zahnweh, wovon
ich als Kind schon genug geplagt worden Bin, mein Wegschwinden
entschuldigt.
Bruder Karl und ich waren mit den Hirtenknaben ans die Weide
gegangen. Die Jungen hatten am Strande gebadet und mich dazu ver¬
leitet. Ein furchtbares Gewitter steigt auf und schüttet einen strömenden
Regen auf uns, ich fühle ihn noch auf mich herabplätschern und weiß,
mit welcher Not sie uns die durchnäßten Hemden und Kleider etwas un¬
ordentlich wieder anziehen halfen. Nun treibt bald jeder sein Vieh wieder
zu seinem Hofe. Wir am Abend auch mit dem unsrigen zurückgekehrt,
halten uns, den Vater fürchtend, der solches eigenwillige Auslaufen und
Entlaufen verboten hatte, bis in die volle Dämmerung in den Knhställen
aus, müssen aber endlich hervorschleichen. Der Handel wird untersucht,
die Nässe und das Strand- und Gewitterbad entdeckt, die Waffe der
Züchtigung hinter dem Spiegel hervorgeholt. — Da erscheint zu unserm
Glücke der Friedensbote, der freundliche Herr Braun, Schreiber zu Dum¬
sevitz, und bittet so kräftig, daß die Strafe erlassen wird. Noch heute
sehe ich das alte, ehrliche, etwas päonienrote Gesicht und die stattliche,
kupferige Nase als Vorgebirge darin und ihn selbst in der Stellung, wie
er sich zum Tische an das Damenbrett setzt, dessen lustige Scheiben der
Vater vor ihm ausschüttet.