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Die Eeneralin fiel ihm ins Wort: „Mach mir keine Vorwürfe,
Bester; ich bin genug gestraft."
Sie war's; er sah es deutlich ausgesprochen auf ihrem Antlitz,
in dem er seit vierzig Jahren zu lesen gewohnt war, und so erfüllte
er denn großmütig ihre Bitte und fragte nur mild:
„Ich möchte aber wissen, an wen du ihn verschenkt hast."
„An eine Greisin, lieber Fritz, eine unglückliche, hilflose, die
vielleicht erfroren wäre ohne ihn . . ."
„Papperlapapp!"
„Und für die der alte Muff eine Wohltat ist, die vorhalten
wird bis ans Ende ihrer Tage, ein wahres Lebensgut. So verzeih'
denn, bester Mann, und wenn du mir noch etwas zuliebe tun
willst . . ." Klotilde ging aus ihrer elegischen Weise in eine muntere
über, griff nach der Hand ihres Mannes, zog sie rasch an sich und
drückte, bevor er's wehren konnte, einen Kuß darauf, „so lege den
Sechser aus."
Seufzend fügte sich der General dem Wunsche seiner Frau,
aber es geschah zum Unheil, denn, wie die scharfsinnigen Kom¬
binationen, die er später anstellte, erwiesen, konnte die Patience vom
Moment an, in dem die verhängnisvolle Karte ausgelegt worden
war, nicht mehr gelingen. Den Mann verstimmte das ein wenig,
für die Frau gab es an dem Tage nichts, das imstande gewesen
wäre, ihre Heiterkeit zu stören. Und als sie zur Nuhe gegangen
war und die Augen schloß, da schwebte das Bild eines welken
Ereisenangesichts, von Heller Freude verklärt, vor ihr empor, und
sie schlief ein, gewiegt von Empfindungen, um die die Landgräfin
Elisabeth von Thüringen Ursache gehabt hätte, sie zu beneiden.
Am nächsten Morgen würde die Eeneralin ihres gestrigen
kleinen Abenteuers nicht mehr gedacht haben ohne die schroffe
Einsilbigkeit, die Adele der Herrin gegenüber beobachtete. — Das
wird nicht gut, dachte sie, wird nicht gut, bevor ein umfassendes
Geständnis abgelegt ist. Und ich bin es ihr ja schuldig; habe ich
doch eigenmächtig über einen Gegenstand verfügt, auf den sie
sich durch die treue Hut, in der sie ihn mehr als ein Menschenalter
hindurch gehalten, einigermaßen Rechte erworben hat.
Die Eeneralin war eben im Begriff, ihre Beichte zu be¬
ginnen, als die Hausglocke, mit unerhörter Heftigkeit in Bewegung
gesetzt, ertönte. Man hörte die Tür öffnen und zuschlagen, und