IV.
Der Gesangunterricht.
I. Der systematische Gesangunterricht.
Es hat noch keinem jungen Lehrer etwas ge¬
schadet, wenn er das praktisch nachahmte, was
praktische Schulmänner vor ihm getan haben.
Diesterweg.
Viele der in die Schule eintretenden Kleinen haben für musikalische
Töne noch kein Gehör, ihre Stimme ist roh, unmusikalisch und von ganz
geringem Umfange. Bei ihnen kommt es zunächst nur daraus an, daß
ihr Gehör für musikalische Töne erwache und das schwache Stimmorgan
erstarke. Die Neulinge müssen erst reine Töne der Mittellage hören
lernen; denn hört das Kind nicht, daß sein hervorgebrachter Ton mit
dem vorgesungenen keine Ähnlichkeit hat, und bleibt die Stimme dumpf
und roh, so Hilst kein Zuruf: falsch! zu hoch! zu tief! lauter! reiner!;
es bleibt kein anderes Mittel übrig, als Vorsingen und Vorspielen ein¬
zelner Töne und kleiner Lieder. Deshalb hat die Reihe der Übungen
zu beginnen
1. mit dem Vor- und Nachsingen einzelner Töne in der
Mittellage, am allerbesten mit Hilfe der Violine.
, Zunächst sind die Vokale, am häufigsten das a und das i, ganz
deutlich vor- und n a ch z u s p r e ch e n , und zwar von einzelnen Kindern
wie vom Chor, laut und leise, lang und kurz, zwei- und mehrmal nach¬
einander. Dabei ist schon auf die richtige Mundstellung zu achten, und
es ist ganz besonders das richtige Offnen des Mundes beim Sprechen
des a täglich zu üben.
Hierauf singt oder spielt der Lehrer den Ton 63 auf der v-Saite
in Mittelstürke nicht zu lang vor. Die Kinder hören! Er spielt ihn
nochmals und immer wieder etwas leiser und sagt: Singt den Ton
auf a laut nach! fangt aber erst an, wenn ich mit dem Violinbogen so
herunterschlage! Wenn ich den Bogen aufwärts bewege, dann holt ihr
Atem! Der Lehrer macht's vor! Beim Abwürtsbewegen fangt ihr alle
zusammen an! Das geht natürlich nicht gleich, und es ist tägliche Übung
nötig. Ihr haltet den Ton so lange, wie ich es haben will. Sollt
ihr aufhören, dann mache ich es mit meinem Bogen so! Kurze Aufwärts¬
bewegung.
Hier folgen nun Übungen im gleichmäßigen Anfangen und Schließen
aller Kinder, aber auch im lauten und weniger lauten Singen. An¬
fangs kann der Lehrer recht lautes Singen gebieten, denn das Schreien,
das natürlich nie zu dulden ist, kommt als Übertreibung erst später.