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24. Der Tannenbaum.
Weihnachtszeit, sangen die frischen Stimmen, und der gute
Baum zitterte in den Zweigen, so freute er sich. Das war
der schönste Tag seines Lebens.
Dann war Weihnachten vorbei, aber der Baum stand
noch eine lange Zeit in der Stube, gleich hinter dem Fenster,
so daß man ihn schon von der Straße sehen konnte, wie schön
er ist! sagten die Leute, die zu Besuch kamen, es ist nur schade,
daß er sich nicht mehr lange hält. Ja ja, sagte die Mutter,
wir wollen ihn nun auch bald plündern, die Rinder können
die Zeit schon gar nicht mehr erwarten, ein paarmal haben
sie schon von den Zuckersachen genascht, obgleich sie das nicht
sollten, und jeden Morgen muß ich einen kleinen Haufen von
seinen Nadeln auf dem Fußboden zusammenfegen; lange soll
es nicht mehr dauern. — Immer dünner und ärmlicher wurde
der Baum. Eines Tages endlich nahmen sie ihm alle seine
Zuckersachen weg, und die Rugeln und die Lichthalter und den
hübschen Engel mit den Flügeln. Dann brachte ihn die Mutter
in den Reller.
Da stand nun der Baum in einem finstern Winkel zwischen
Torf und Steinkohlen, ganz allein — o wie langweilig war
das! Die Mutter kam wohl mal in den Reller, aber sie hatte
keine Zeit, sich um den Baum zu kümmern. Sie hackte holz
entzwei mit einem alten rostigen Beil, sie setzte einen Torskasten
in den Reller und warf mit lautem poltern die dicken, harten
Torfstücke hinein; dann nahm sie eine Steckrübe von der Bort
herunter, legte das holz und die Steckrübe auf den Torfkasten
und trug alles in die Rüche. Und ihre Ärmel hatte sie sich
aufgekrempelt, sie hatte überhaupt ihr schlechtestes Rleid an und
eine Schürze von Waschleder vorgebunden, denn heute gab's
große Wäsche; und der weiße Dampf zog sogar in den Reller,
und der alte Tannenbaum träumte wieder von dem weißen
Uebel auf dem Tannenmarkt und dachte, er könnte nun bald
wieder Weihnachten feiern. Uber sie hatten ihn alle vergessen;
nur eine Maus, die in dem Reller wohnte, hat ihn einmal
besucht. Sie wollte aber auch nur etwas zu essen haben und
schnüffelte alle Zweige durch; als sie aber nichts fand, fraß