Die Fibel das Elementarbuch für die Rechtschreibung. 73
der kleineren Schüler der ersten Abteilung für einen groben orthographischen
Fehler erachteten und in ihrer bereits erlangten Rechtschreibung unsicher
wurden." (Vgl. S. 71.) Trotzdem erscheinen auch in der neusten Zeit wieder
Fibeln, deren Verfasser das Kleinschreiben der Hauptwörter für unbedenklich
halten. In der von Eickelboom und Esser im Jahre 1902 herausgegebenen
„Neuen Fibel nach der analytisch-synthetischen Lesemethode" werden die Ding¬
wörter anfangs mit kleinen Anfangsbuchstaben vorgeführt. Die 24 Normal¬
wörter beginnen gleich mit zusammengesetzten Lauten; und äu wird vor ä,
sch vor h und ch, ü vor u zur Einübung gebracht. —
Im Jahre 1905 ist von Fritz Gansberg, Lehrer in Bremen, eine Fibel
erschienen unter dem Titel: „Bei uns zu Haus — Eine Fibel für kleine
Stadtleute." Auch in dieser Fibel werden die Dingwörter mit kleinen An¬
fangsbuchstaben in unsauberer, unschöner Schrift vorgeführt und selbst in
Sätzen geübt bis zur Lektion 46, in welcher zum ersten Mal Großbuchstaben
auftreten. Die Buchstaben werden einzeln vorgeführt, ohne sie hinreichend
zur Einübung zu bringen. So dient zur Einübung des k nur das Wort
„musik" ans Seite 7. Auf Seite 9 endlich erscheint das Wort kühe. Das
w wird nur geübt in den Wörtern „weide, wage" und ü nur in den Wörtern
„tür, hüte und gemüse;" ng und nk kommen nur in „lang" und „Bank" zur
Kenntnis der Kinder. Nachdem einige Kleinbuchstaben in zweisilbigen Wörtern
mit offenen Silben ausgeführt sind, folgt schon die Einübung der Schärfungs-
und Dehnungszeichen mm, ll, nn, ff, tt, ff — ee, ie. Danach Einübung der
Buchstaben s, ß, ch, en, er, st, z, p, j Dehnung -h. In Lektion 49 erscheint
der Großbuchstabe D, wird aber in allen Lektionen bis zur Lektion 60 nur
einmal in dem Worte „Dora" geschrieben. N wird nur in „Nelken" und
„Netz" geübt; S nur in „Sonne" und O nur in „Otto". Die Buchstaben U
und V werden nur einzeln vorgeführt, kommen aber in keinem Worte zur
Übung. In Druckschrift werden diese beiden Buchstaben überhaupt nicht
geübt. — Meint vielleicht der Herr Verfasser: „Bei uns zu Hans — für kleine
Stadtleute" ist das alles nicht nötig? — Kehr sagt in dieser Beziehung in
seiner Methodik des Lesens: „Zur Erreichung des mechanisch-geläufigen Lesens
gibt es nur ein Mittel: fleißige Übung." Darauf ist aber Gausbergs Fibel
uicht zugeschnitten. —
Daß noch so viele Fibeln mit der Schreibschrift zugleich die Druckschrift
vorführen, ist zu verwundern. Schreiber dieses hat früher auch nach dieser
gemischten Schreiblesemethode unterrichtet und ist nun überzeugt, daß
durch diese die Arbeit für Lehrer und Kinder bedeutend erschwert
wird.
Warum wollen wir uns und unsern Kleinen nicht die Arbeit erleichtern?
In jedem Jahre machen wir von neuem die Erfahrung, daß eine große An¬
zahl unserer Schüler nach Absolvierung der Schreibschrift, wenn also die
Druckbuchstaben vorgeführt werden sollen, uns mit vor Freude verklärtem
Antlitz verkündigt: „Ei, das können wir schon lesen und abschreiben!" —
Uni) die es noch nicht können, die Schwachen und Trägen, erlernen es mit
Hilfe des Lehrers in 8 bis 14 Tagen.