schwarze Mäntel und stumm. In der Ferne läutete ein einsames Glöck-
lein. Jetzt ergriff unsern Fremdling ein wehmütiges Gefühl, das an keinem
guten Menschen vorübergeht, wenn er eine Leiche sieht, und er blieb mit
dem Hut in den Händen andächtig stehen, bis alles vorüber war. Doch
machte er sich an den letzten vom Zug, der eben in der Stille ausrechnete,
was er an seiner Baumwolle gewinnen könnte, wenn der Zentner um
10 Gulden aufschlüge, ergriff ihn sachte am Mantel und bat ihn treuherzig
um Entschuldigung. „Das muß wohl auch ein guter Freund von Euch
gewesen sein," sagte er, „dem das Glöcklein läutet, daß Ihr so betrübt und
nachdenklich mitgeht?" „Kannitverstan!" war die Antwort. Da sielen unserm
guten Tuttlinger ein paar große Thränen aus den Augen, und es ward
ihm auf einmal schwer und wieder leicht ums Herz. „Armer Kannitverstan!" ]
rief er aus, „was haft du nun von allem deinem Reichtum? Was ich einst
von meiner Armut auch bekomme: ein Totenkleid und ein Leintuch und
von allen deinen schönen Blumen vielleicht ein Rosmarin auf die kalte
Brust." Mit diesen Gedanken begleitete er die Leiche, als wenn er dazu
gehörte, bis ans Grab, sah den vermeinten Herrn Kannitverstan hinab¬
senken in seine Ruhestätte und ward von der holländischen Leichenpredigt,
von der er kein Wort verstand, mehr gerührt als von mancher deutschen,
auf die er nicht achtgab. Endlich ging er leichten Herzens mit den andern
wieder fort, verzehrte in einer Herberge, wo man deutsch verstand, mit
gutem Appetit ein Stück Limburger Käse, und wenn. es ihm wieder einmal
schwer fallen wollte, daß so viele Leute in der Welt so reich seien, und er !
so arm, so dachte er nur an den Herrn Kannitverstan in Amsterdam, an
sein großes Haus, an sein reiches Schiff und an sein enges Grab.
30. Die goldene Repetieruhr.
Berthold Auerbach. Gesammelte Schriften. 2. Gesamtausgabe. Stuttgart. 1864. J. G. Cotta.
Bd. 18. 8. 164.
Ich war bald fünfzehn Jahre alt — so erzählt Meister Kämmerlein
eine Geschichte aus seinem Leben — ich war zu meinem Oheim in die
Lehre gethan und wünschte weiter nichts als eine solide, pünktlich
gehende Sackuhr, wie solche die Gehilfen auch hatten. Das, meinte ich,
sei erst recht das Zeichen der Großjährigkeit, wenn man selber sagen
könne, wieviel es an der Zeit sei. Auch meine ich noch jetzt: man soll
in dem Lebensalter, wo der Ernst des Daseins beginnt, jeden lehren,
genau auf die Zeit acht zu haben; denn die Zeit ist das kostbarste Gut,
wenn man rechtschaffen damit Haus hält. Eine Uhr in der Tasche kann